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andere Stellung zur Kirche und eine andere Stellung auch zum Bau und zur Arbeit an der Kirche. Überhaupt ist freilich eine sittliche Leistung in keiner Gemeinschaft verloren; aber es ist ein Unterschied, wenn man die Hoffnung, das Bewußtsein in sich trägt, das Resultat der Arbeit erscheint nicht erst in der Ewigkeit, sondern man arbeite auch für seine diesseitige Zukunft, wo alles, was wirklich Leistung ist, zur Erscheinung kommt.


B.
Das Leben des Christen in der Vollendung, wenn er ist und hat, was er sein soll, das Ziel.

§ 80.
Der Christ am Ziel.

 Der einzelne Christ muß sein, was er werden soll, und werden, immer vollkommener, was er ist; das ist überhaupt das Geheimnis des ganzen Christenlebens. Der Christ muß immer mehr werden, was er schon ist, was er durch Gottes Gnade ist, soll er immer mehr durch eigene That werden. Nur dürfen wir hier das Ziel des Christen nicht im allgemeinen ins Auge fassen, sondern wir müssen das Ziel der sittlichen Vollendung des Christen betrachten; denn mit dieser hat es ja die Ethik zu thun. Anders ist es mit der Dogmatik. Dort hat man es mit dem ganzen Ziel, welches die göttliche Berufung dem Christen gesteckt hat, zu thun, das ist die Seligkeit; aber hier ist nur die Rede von dem sittlichem Ziel des Christen. Das ist die ethische Vollendung oder vollkommene Heiligkeit, eine Heiligkeit, die identisch ist mit der Sündlosigkeit. Was auf Erden nicht erreicht werden kann, was nur eine Behauptung ist, die dem geistlichen Hochmut ihren Ursprung verdankt, das ist dort erreichtes Ziel. Es ist das Ebenbild Gottes in dem Menschen vollkommen wieder hergestellt, es spiegelt sich dann in ihm die Klarheit Gottes mit enthülltem Angesicht.

 Diese Vollkommenheit und Vollendung wirkt in dem Menschen das Gefühl der Befriedigung; denn der Mensch ist dann mit sich selber und mit Gott in Harmonie. Was bei den Christen hier auf Erden nicht überwunden werden kann, nämlich jener Dualismus, von welchem der Apostel Röm. 7 und 8 in so ergreifender Weise redet, nämlich der Kampf zwischen Fleisch und Geist, dem alten und neuen Menschen, dieser Dualismus ist dann vollständig beseitigt. Wie also der Mensch, wenn er diese Stufe erreicht hat, mit Gott in vollkommener