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Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/39

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der Welt herrschende Verderben, die verderbten Zustände und den von Gott abgewandten Teil der Menschen mit dem Ausdruck „Welt“ (2. Petr. 1, 4; 2, 20; Joh. 15, 18; Röm. 12, 2; 1. Joh. 2, 15–17).

 Wichtig für das ethische Verständnis ist das Verhältnis, in das der Mensch zur Welt, zunächst der ihn umgebenden Kreatur, ursprünglich gesetzt ist. Der Mensch ist nicht nur ein Stück und Teil der ihn umgebenden Kreatur, der Erde und was darauf ist; die Erde ist nicht nur der Boden, aus dem er wächst, die ihn ernährende Mutter, sondern sie ist ihm gegeben als sein Besitztum, worüber er als Herrscher walten und das er zum Gegenstand seiner bildenden Thätigkeit machen sollte.

 Das Dominium über die Kreatur ist Gen. 1, 26 ff. selber in die unmittelbarste Verbindung mit der Gottesebenbildlichkeit des Menschen gesetzt. Das göttliche Ebenbild besteht nicht selbst in diesem Dominium, aber es ist eine unmittelbare Folge, eine mit dem göttlichen Ebenbild gegebene, aus ihm sich unmittelbar ableitende Thatsache. Es hat dieses Dominium seine Voraussetzung und Basis an der Persönlichkeit des Menschen. Diese befähigt ihn, Herr über die Kreaturen zu sein. Dazu befähigt ihn das in das Wesen der Kreatur eindringende Wissen. Und wie sehr das Wissen den Menschengeist befähigt, über die Kreaturen zu herrschen, sie sich dienstbar zu machen und zu unterwerfen, des sind ja die großen Erfindungen und Entdeckungen auf dem Gebiet der Naturwissenschaft im letzten Jahrhundert, die Bemeisterung der Naturkräfte für den Dienst des Menschen ein laut redender Beweis. „Wissen ist“, wie das englische Sprichwort lautet: „Macht“ („knowledge is power“). Dieses Dominium ist in gewissem Maß auch nach dem Falle dem Menschen noch geblieben. Zwar die freiwillige Unterordnung der Kreatur unter die Herrschaft des Menschen hat aufgehört, die Kreatur hat sich emanzipiert vom Menschen; seitdem ist Feindschaft geworden zwischen der Kreatur und dem Menschen. Daß aber ein Rest dieses Dominiums noch vorhanden ist, geht hervor am allerdeutlichsten aus Gen. 9, 1–3. Diese Stelle erinnert ja ganz an den Schöpfungssegen. Aber es ist ein großer Unterschied wahrzunehmen zwischen jenem und diesem Segen; denn mitten inne liegt die Thatsache des Falles. Was dort eine milde Herrschaft, die auf freiwilligen Gehorsam der Kreatur gegründet war, das ist hier eine Gewaltherrschaft, eine Schreckensherrschaft. Der Mensch hat noch Gewalt über die Kreatur, aber nur durch Furcht und Schrecken, die er um sich verbreitet.