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Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/51

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kann, so sagt die pelagianische Denkweise des Menschen, ein einzelner Akt eine totale Veränderung, eine Korruption des menschlichen Wesens zur Folge haben? Da ist zu entgegnen, daß es ja auch schon auf dem Gebiet der menschlichen Freiheit, des liberum arbitrium, Handlungen gibt, welche im Gebrauch, resp. Mißbrauch der Freiheit begangen, einen Zustand herbeiführen, den zu ändern nicht mehr in des Menschen Macht liegt. Z. B. die Gesundheit kann einer durch einen leichtsinnigen Akt auf einmal zerrütten, ja zerstören, oder einer, der sich frevelhaft in einen Sumpf stürzte, kann sich nicht mehr heraushelfen. (Esau verlor durch eine einzige Handlung das Recht der Erstgeburt.) Dasselbe findet statt an der moralischen Seite des Menschen. Wer in eine Versuchung eingewilligt hat, hat dadurch den Schaden, daß er sich eine Schwächung seiner moralischen Persönlichkeit zuzieht, die bleibend ist. Das war auch bei dem ersten Menschen der Fall. Da das Wesen des Menschen ein einheitliches ist, so ist dieser Zustand auch auf die Nachkommen übergegangen.

 Sodann ist vor allem zu bedenken, daß die Aufgabe des ersten Menschen war, das Ebenbild Gottes rein und ungetrübt zu bewahren, und daß eben damit, daß er dies nicht that, die Gottesebenbildlichkeit ihm verloren ging. Der Mensch hatte das Vermögen, zu bleiben, was er durch Gottes Gnade war; aber er ist es nicht geblieben, und so ist es faktisch unmöglich, daß er jetzt selber wieder werden könnte, was er durch Gottes schöpferische Gnade war. Was durch einen schöpferischen Akt gegeben war, konnte nur durch eine Neuschöpfung und Neugeburt wiederhergestellt werden.
 Daß aber in der That eine Umänderung erfolgte, davon ist die Scham ein Beweis; denn diese Scham, die wir als Folge der Sünde anzusehen haben, deutet darauf hin, daß mit der geistleiblichen Natur des Menschen eine Veränderung vor sich gegangen ist; und, was gewiß ein schlagender Beweis für diese Behauptung ist: wir bemerken an dem Versuchen des ersten Menschenpaares, die Schuld der Sünde von sich abzuwälzen, ja Gott als Urheber der Sünde gewissermaßen hinzustellen, daß die Menschen von dem Geist der Lüge durch den Vater der Lüge bedenklich infiziert worden sind. Auf die erste Frage Gottes: „Adam, wo bist du?“ erfolgte nicht die richtige, sondern nur eine halbe Antwort: „Ich hörte deine Stimme etc.“, so daß Gott sein Gewissen erst schärfen muß.


§ 20.
Die Erbsünde. Die allgemeinen Folgen des Sündenfalles für das ganze menschliche Geschlecht.

 Die Folgen, welche der Sündenfall gehabt hat, sind solche, welche nicht nur die ersten, sondern alle Menschen ohne Unterschied betreffen, „die natürlich geboren werden“ (Conf. Aug. II). Es sind im wesentlichen dieselben wie bei den ersten Menschen, nämlich der Verlust des göttlichen Ebenbildes mit der oben bezeichneten Beschränkung. Was von Seth gesagt wird: „Adam zeugte einen Sohn,