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wurde aber in Holland auch bei den Lutheranern, Mennoniten und Remonstranten eingeführt. Alle Kirchengesellschaften läßt der Staat frei gewähren, sich trennen und wiedervereinigen, nach Gefallen Kirchen bauen, predigen, taufen etc. Die Mennoniten in Amsterdam entzweiten sich im vorigen Jahrhundert und hatten verschiedene Kirchen, vereinigten sich aber wieder. Die Lutheraner entzweiten sich gleichfalls, nicht erst neuerlich, sondern schon vor hundert Jahren; die Strenggesinnten bauten sich in Amsterdam eine eigene Kirche. Wegen dieser gestatteten freien Bewegung wurde Holland – gewiß nicht zu seinem Nachtheil – schon vor Jahrhunderten die Zufluchtsstätte für Bedrängte: für die aus Frankreich, Portugal, Deutschland und Belgien verjagten Hugenotten, Wiedertäufer, Juden und für die antiinfallibilistischen Jansenisten. Eine Staatskirche wie in England gibt es dort nicht. Ehemals konnten nur Calvinisten Staatsbeamte werden, nicht aber Lutheraner, Mennoniten, Remonstranten, Katholiken und Juden; jetzt ist es anders.

Es ist oft behauptet worden, der unerfreuliche Stand des religiös-sittlichen Volkslebens in Deutschland rühre besonders von der französischen Invasion und Literatur her. Ganz ohne Grund ist diese Behauptung nicht. Doch ist zu bemerken, daß Holland noch weit mehr als Deutschland von den Franzosen okkupirt und lange Zeit dem französischen Reiche einverleibt war, daß Voltaire’s und andere derartige Schriften dort weit mehr gelesen wurden, daß die in Deutschland weit verbreitete Gleichgiltigkeit oder Opposition gegen religiös-kirchliche Glaubenslehren auch in Holland gefunden wird: daß aber gleichwohl dort in allen Volksklassen im Allgemeinen eine bessere Gesinnung gefunden wird, als in Deutschland. Dieser bessere Stand hat seinen Grund in den besprochenen besseren Institutionen. In Folge derselben herrscht in Holland, mehr als in Deutschland, Frankreich und Belgien, Ruhe, Ordnung und Zufriedenheit; die auch dort bisweilen vorkommenden Störungen[1] werden durch die bessergesinnte Majorität


  1. z. B. im September 1876 der Amsterdamer Kirmeßkrawall, Ministerkrisen, Zerwürfnisse in den Ständekammern.
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Georg Muck: Geschichte von Kloster Heilsbronn (Band 3). C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1880, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georg_Muck_-_Geschichte_von_Kloster_Heilsbronn_(Band_3).pdf/184&oldid=- (Version vom 1.8.2018)