Seite:George Sand Indiana.djvu/58

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zu können. Ein unersättlicher Drang nach Kampf und leidenschaftlichen Aufregungen verzehrte sein Leben.

Man glaube jedoch nicht, daß er gegen Nouns Tod unempfindlich gewesen wäre. Im ersten Augenblicke wollte er sich sogar erschießen; aber der Gedanke an seine Mutter bewahrte ihn davor. Was sollte aus ihr werden? Aus seiner alten, schwachen Mutter, deren Leben so bewegt, so schmerzensreich gewesen war, die nur noch für ihn, ihr einziges Glück, lebte! Die beste Art, sein Verbrechen wieder gutzumachen, war, sich von jetzt an mehr denn je seiner Mutter zu widmen, und in dieser Absicht kehrte er nach Paris zurück.

Raymon besaß eine unglaubliche Macht über alles, was ihn umgab, denn er war bei allen seinen Fehlern und Verirrungen in der Pariser Gesellschaft ein ausgezeichneter Mann und besaß sogar den Ruf als geistreicher und talentvoller Kopf. Er beschäftigte sich viel mit Politik und die Schriften, die er veröffentlichte, wurden mit großem Interesse gelesen. Sein Vermögen überhob ihn der Notwendigkeit, für Geld zu schreiben; er schrieb nur aus Neigung und aus Anhänglichkeit an das absolute Königtum Ludwigs XVIII., der damals regierte. Aber seine ehrgeizigen Träume wichen bald wieder dem Bedürfnisse seines Herzens und dem Drange nach verliebten Abenteuern.

Anfangs hatte er verzweifelt, nach dem tragischen Ausgange seiner doppelten Intrigue Frau Delmare je wiederzusehen. Aber während er die Bedeutung des Schatzes erwog, der ihm in ihr entging, kam ihm die Hoffnung, sich ihn zurückzuerobern. Er erwog die Hindernisse, auf welche er stoßen würde, und sah ein, daß diejenigen, deren Beseitigung am schwierigsten wäre, zunächst von Indiana selbst ausgehen würden. Er mußte also den Angriff von dem Gatten selbst unterstützen lassen. Die eifersüchtigen Ehemänner sind zu dieser Art Dienstleistung besonders geeignet.

Vierzehn Tage, nachdem Raymon diesen Entschluß gefaßt hatte, befand er sich auf dem Wege nach Lagny, wo man ihn zum Frühstück erwartete. Es sollen nicht

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)