Seite:George Sand Indiana.djvu/6

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Schreckens, ihre großen blauen Augen auf ihren Gatten richtend, rief sie:

„Um Gottes willen, mein Herr, töten Sie das unschuldige Tier nicht!“

Diese wenigen Worte genügten, den Zorn des alten Soldaten zu dämpfen.

„Das ist ein Vorwurf,“ sagte er peinlich berührt, „mit dem du mich seit dem Tage verfolgst, wo ich auf der Jagd in meinem Unmut dein Windspiel niederschoß. Ist denn ein Hund, der auf keinen Zuruf hört und das Wild verscheucht, ein so großer Verlust? Übrigens hast du ihn erst seit seinem Tode lieben gelernt. Vorher beachtetest du ihn nicht; aber jetzt ist es eine willkommene Gelegenheit, mir Vorwürfe zu machen.“

„Habe ich dir je einen Vorwurf gemacht?“ fragte Frau Delmare sanft.

„Das habe ich nicht behauptet,“ erwiderte der Oberst, in fast väterlichem Tone, „aber in den Tränen gewisser Frauen liegen herbere Vorwürfe, als in den härtesten Worten. Zum Henker, du weißt wohl, daß ich in meiner Nähe nicht gern weinen sehe.“

„Du siehst mich niemals weinen, denke ich.“

„Aber ich sehe fortwährend deine geröteten Augen, und das ist meiner Treu noch schlimmer!“

Während dieser ehelichen Auseinandersetzung war der junge Mann aufgestanden und hatte mit der größten Ruhe Ophelia hinausgeführt, dann setzte er sich wieder Frau Delmare gegenüber, nachdem er ein Licht angezündet und es auf den Rand des Kamins gestellt hatte. Sobald das Antlitz der jungen Frau durch das Licht eine schärfere Beleuchtung erhielt, bemerkte Herr Delmare ihre leidende Miene, ihre krankhafte Gesichtsfarbe und den matten Blick ihrer umränderten Augen. Er trat zu ihr und fragte sie mit der Unbeholfenheit eines Mannes, dessen Herz und Charakter selten in Einklang sind, kurz und abgebrochen:

„Wie befindest du dich heute, Indiana?“

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)