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Siebzehntes Kapitel.

„Das ist eine jämmerlich erfundene Lüge!“ sagte Raymon, „Sir Ralph sehnt sich nach einer Lektion, und ich will ihm eine geben …“

„Ich verbiete es Ihnen,“ sagte Indiana mit kaltem, entschiedenem Tone. „Ralph hat nie gelogen. Mein Gatte ist hier, wir sind verloren.“

„Wohlan,“ sagte Raymon, indem er sie begeistert in seine Arme schloß, „da der Tod uns droht, so verzeihe mir alles und laß in diesem erhabenen Augenblicke dein letztes Wort das der Liebe sein!“

„Dieser Augenblick des Schreckens, der kühnen Mut erfordert, hätte für mich der schönste meines Lebens werden können,“ sagte sie, „aber du hast ihn mir verdorben.“

Das Rollen eines Wagens ließ sich im Hofe hören und eine ungeduldige Hand setzte die Glocke des Schlosses in Bewegung.

„Ich kenne diese Art zu klingeln,“ sagte Indiana aufmerksam und kalt; „aber du hast noch Zeit zu entfliehen. Geh! ….“

„Nein, ich gehe nicht!“ rief Raymon; „ich ahne einen schändlichen Verrat. Ich bleibe, meine Brust wird dich beschützen …“

„Hier ist kein Verrat im Spiele … Du hörst, die Diener sind bereits wach und das Gitter wird geöffnet … Flieh, die Bäume im Garten werden dich verbergen, und der Mond ist untergegangen. Kein Wort mehr, geh!“

Raymon war genötigt, zu gehorchen; aber sie begleitete ihn bis zur Treppe hinab und warf einen spähenden Blick auf die Baumgruppen des Gartens. Alles war ruhig. Sie blieb lange auf der letzten Stufe, angstvoll dem Geräusche seiner Tritte auf dem Sande lauschend. An ihren Gatten dachte sie nicht mehr. Was kümmerte sie sein Verdacht und sein Zorn, wenn nur Raymon außer Gefahr war.

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/98&oldid=- (Version vom 1.8.2018)