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Vertrieb gezogenen Gewinn einsteckten. Hermodorus, dem Schüler Platos, wurde es zum Vorwurf gemacht, daß er mit seines Meisters Schriften in Sicilien Handel getrieben habe. Reiche Bürger ließen sich durch ihre Sklaven Abschriften machen oder schrieben mit eigener Hand ein ihnen wertvolles Manuskript ab. So soll Demosthenes selbst achtmal die Geschichtsbücher des Thukydides kopiert haben. Schon vor dem Jahre 400 gibt es in Athen Bibliotheken. Möge selbst die Existenz der angeblich von Pisistratus und Polykrates gegründeten auf gewagten Schlüssen beruhen, so bleiben doch die eines Euripides, Euklides und Nikokratus übrig, von welchen Athenäus berichtet.

Erst seit Alexander dem Großen entwickelte sich in Athen ein regelmäßiger geschäftlicher Betrieb des Handschriftenhandels. Wie der gekrönte Schüler des Aristoteles Alexandrien zur politischen Hauptstadt seines griechisch-asiatisch-afrikanischen Weltreichs erhob, so ehrte er Athen als die geistige Kapitale der damaligen Welt und machte es noch auf Jahrzehnte hinaus zu deren litterarischem Mittelpunkte, bis die Ptolemäer durch ihre stolze Hauptstadt und namentlich deren Bibliothek den Glanz Athens verdunkelten. Trotz seines politischen Verfalls übte aber der Ruhm seiner Vergangenheit noch immer einen so mächtigen Zauber, vor allem auf die Römer aus, daß Athen noch jahrhundertelang, selbst Alexandrien gegenüber, ein bedeutender Büchermarkt blieb. Die Händler hatten ihren Stand auf dem Marktplatz und führten von hier ihre Handschriften bis zu den fernen Barbaren aus, und zwar nicht allein schöngeistige und philosophische Werke, sondern auch Staatsschriften.[1] Reiche römische Große, wie Lucullus und Sulla, kauften dort ganze Bibliotheken; junge vornehme Römer, welche in Athen Rhetorik und Philosophie studierten, betrachteten es als Sache des guten Tons und Geschmacks, von dort mehr oder minder ansehnliche Handschriftensammlungen nach Hause zu bringen. Die Preise derselben waren deshalb nicht billig, weil Bücher bei der geringen Zahl brauchbarer Sklaven nicht massenhaft hergestellt werden konnten und außerdem vielfach durch den schwankenden Preis des Papiers verteuert wurden. Für Athen ist kaum der Name eines berühmten Handschriftenhändlers erhalten; nur aus der Zeit des Untergangs selbständigen griechischen Lebens sind Kallinus und Atticus auf die Nachwelt gekommen, von denen jener sich durch seine schöne Handschrift, dieser aber durch die seinem Geschäft gewidmete


  1. Schoemann, G. F., Griechische Altertümer. Berlin 1853. I, 529.
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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 004. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/004&oldid=- (Version vom 1.8.2018)