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vielfach in verschiedenem Verlage. Von einzelnen beliebten Dichtern, z. B. Martial, wurden mehrere Ausgaben veranstaltet. So war eine für die Bibliotheken bestimmte schönere und teuerere bei Atrectus erschienen, während die billige Taschenausgabe bei Tryphon herauskam. Auch in den übrigen Städten Italiens und der Provinzen gab es schon vom ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung an Handschriftenhändler, welche ihre Artikel meist aus Rom bezogen und dem Verleger zugleich bequeme Kunden für deren Absatz waren. Von den italischen Städten, wie Mailand, Pompeji, Neapel, Tarent und dem Einschiffungshafen Brundisium ganz zu schweigen, so seien hier von den Provinzialstädten erwähnt Athen, Smyrna und Alexandria im Osten, Autun, Vienne, Rheims, Lugdunum (Lyon) und Massilia im Westen und Karthago und Utica im Süden. So umspannte denn auf Grund der Sklavenarbeit der römische Handschriftenhandel die damalige civilisierte Welt.[1]

Trotz dieses ausgedehnten Geschäftsbetriebes findet sich aber keine Spur der Anerkennung einer Art von Verlagsrecht, geschweige denn, daß dieses durch ein Gesetz geschützt, der Nachdruck oder vielmehr die Nachschrift durch ein solches verboten gewesen wäre. Es findet sich auch nirgends eine Spur, noch weniger eine Klage, daß man hier eine etwaige Verletzung von Eigentumsrechten für denkbar gehalten habe. Einmal konnten einer solchen Verletzung große Auflagen vorbeugen; dann ließ sich der mutmaßliche Erfolg und Absatz eines Buches ziemlich genau nach dem Beifall berechnen, welchen es bei dem in Rom vor seiner Vervielfältigung üblichen öffentlichen Vorlesen fand; endlich aber mag, wie Birt[2] sehr richtig vermutet, unter den Handschriftenhändlern das freundschaftliche Übereinkommen bestanden haben, einander keine neuen Verlagsartikel nachzuschreiben, wie ein solches bezüglich des Nachdrucks noch heutzutage vielfach unter den Verlegern derjenigen Länder üblich ist, welche einander keinen gesetzlichen Schutz gegen letztern gewähren, wie z. B. England und die Vereinigten Staaten.

Die Herstellung der Handschriften und ihr Vertrieb durch den Handel erhielt sich in Rom, als dem bisherigen bedeutendsten Handschriftenmarkt der Welt, ziemlich in derselben Form und in derselben Ausdehnung bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. Selbst die ersten Einfälle der Barbaren in Italien vermochten noch nicht, die geistige Herrschaft der

Fußnoten

  1. Schmidt, Ad., a. a. O. S. 123.
  2. Birt, Th., Das antike Buchwesen in seinem Verhältnis zur Litteratur. Berlin 1882. S. 104–106. 109.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/010&oldid=- (Version vom 1.8.2018)