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gar nicht nöthig hatten. Der Ankauf einer Handschrift durch die Klöster war eine Seltenheit, höchstens, daß ausnahmsweise die Prachtliebe eines Abts oder Bischofs sich den Luxus eines schön geschriebenen und verzierten Breviariums gönnte. Die Bücher jener Zeit bildeten deshalb auch einen eisernen Bestandteil des Kirchenschatzes. Andererseits aber erwarb sich das Mönchtum des frühern Mittelalters dadurch ein großes Verdienst um das geistige Leben der civilisierten Welt, daß es auch Werke der klassischen Litteratur vervielfältigte und vor dem Untergange rettete. Die antike Massenproduktion schrumpfte jedoch immer mehr zur Einzelproduktion zusammen; diese aber stand ganz vereinsamt und kaum im Zusammenhang mit den aufstrebenden zeitgenössischen Geistern.

Der christliche Klerus wird jetzt der fast ausschließliche Träger der gelehrten Bildung, allein er handelt nicht mit seinen lediglich auf Bestellung angefertigten Abschriften, und verdrängt durch seine Thätigkeit den eigentlichen Handschriftenhandel jahrhundertelang fast ganz, denn der auf den Verkauf einzelner Handschriften beschränkte Vertrieb ist noch lange kein Handel, welcher den Verlag und Absatz einer (damals nicht einmal vorhandenen) litterarischen Massenerzeugung hätte vermitteln können. Die Mönche leisten, namentlich vom 9. bis zum 14. Jahrhundert Vorzügliches. Dann aber werden sie mit der zunehmenden Sittenverderbnis der Geistlichkeit faul und kaufen lieber die unentbehrlichsten Bücher oder lassen andere für sich abschreiben. „Sie schwelgen heutzutage lieber im Ausleeren der Becher, statt in der Verbesserung der Bücher“, sagt der englische Bischof Richard de Bury in seinem (1344 vollendeten) „Philobiblion“ von ihnen. In vielen Klöstern schläft die Schreibthätigkeit sogar ganz ein.

Erst die Keime der neuen, in Italien gereiften Bildung und das größere Bedürfnis der namentlich in der Lombardei rege emporblühenden gelehrten Schulen erzeugten eine Nachfrage nach Abschreibern, welche gegen Bezahlung die Vervielfältigung der litterarischen Hilfsmittel besorgten und diese auch verkauften. Wenn in Italien die ersten Universitäten auch schon im 12. Jahrhundert entstanden waren, so traten dort die eigentlichen Anfänge des Handschriftenhandels nachweisbar doch erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hervor. Unter den zahlreichen, aus den verschiedensten Ländern herzuströmenden Studenten machte sich selbstredend eine lebhafte Nachfrage nach korrekten

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 012. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/012&oldid=- (Version vom 1.8.2018)