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kunstsinnigen Burgunder-Herzöge. Die „Librariers-Gilden“ zu Gent und Brügge faßten die gesamten bei Herstellung von Handschriften mitwirkenden Gewerbe in sich. Das jetzt in der St. Markus-Bibliothek in Venedig befindliche Breviarium Grimani wurde etwa 1478 von niederländischen Künstlern, namentlich Johann Memmling, anfangen und 1489 vom Kardinal Grimani für 500 Dukaten gekauft. Ziemlich aus derselben Zeit (1468 oder 1469) und aus der nämlichen Schule stammt die ursprünglich für den Sohn Philipps von Burgund geschriebene und gegenwärtig der breslauer Universitätsbibliothek gehörige Froissardsche Chronik. Das in dem Bruckenthalschen Museum zu Hermannstadt aufbewahrte Gebetbuch ist ein ebenso vortreffliches Erzeugnis niederländischer Miniaturmalerei und kommt, wenigstens in seiner ersten Hälfte, durch die Pracht seines matten Goldgrundes und den Glanz seiner Farben dem Grimanischen Breviarium fast gleich.[1]

Indessen waren es nicht bloß Prachtwerke, welche von einzelnen Künstlern hergestellt wurden. Es wurzelt vielmehr das bereits gegen Ende des 14. Jahrhunderts emporblühende Gewerbe der Handschriftenhändler in der Befriedigung des täglichen Bedürfnisses, also in der Anfertigung von Schul- und Andachtsschriften, populärer und sogar politischer Flugschriftenlitteratur. Schon damals kommen in Köln, Frankfurt a. M., Augsburg, Wien und selbst Nördlingen Handschriftenhändler vor. Die zünftigen Universitäts- und diejenigen Schreiber, welche nur auf Bestellung thätig waren, hatten natürlich, da sie durch Monopole und Privilegien geschützt waren, durchaus kein Interesse daran, ihren Wohnort zu verlassen und auswärts Geschäfte aufzusuchen. Dagegen zogen die unzünftigen, schon früh auf Spekulation arbeitenden Schreiber mit einer Auswahl oder dem ganzen Vorrat der Produkte ihrer Federn auf Jahrmärkten und Messen umher und vermittelten als Handschriftenhändler einen, wenn auch beschränkten litterarischen Verkehr. Sie hatten ihre Verkaufslager auf öffentlichen Plätzen, namentlich am Markte, am Rathause oder an den zu den bedeutendsten Kirchen führenden Stufen oder an Portalen und in Nebenkapellen, ja in den Kirchen selbst, wie im benachbarten Dänemark, an Stellen also, wo sie am sichersten darauf rechnen konnten, die größtmögliche Aufmerksamkeit der Vorübergehenden oder Eintretenden auf ihre Handschriften zu lenken. „Der Schreiber Peter von Haselo, der die Bücher verkauft uf den Greden zu Unserer Frauen Münster“ heißt


Fußnoten

  1. Die beiden Breviarien in Venedig und Hermanstadt wurden vom Verf. im April 1881 und August 1883 eingesehen. S. auch über das letztere „Siebenbürgen“ von Rud. Bergner. Leipzig 1884. S. 295, und über das erstere: „Un coup d’oeil au Bréviaire du Cardinal Grimani à Venise“. Venedig 1881. 31 S.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/020&oldid=- (Version vom 1.8.2018)