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Schulbücher abdruckten und stets neu auflegten, so sicherten sie sich auch die Freundschaft und Unterstützung des lehrenden Klerus und seiner Schüler, der Studenten und der Gelehrten, die sich fortan mit dem mühsamen Abschreiben der Texte und Handbücher nicht mehr abzumühen brauchten. Wenn schon gleich im Anfang der Ausübung der Kunst ein Prachtdruck fünfmal und beim Eintritt in das letzte Viertel des 15. Jahrhunderts selbst achtmal billiger herzustellen war als eine schön illuminierte Handschrift desselben Werkes, so verringerte sich dies Verhältnis in den gewöhnlichen Ausgaben um das Zwanzig- und Dreißigfache; der Gewinn aber kam der Bildung und Wissenschaft zugute.

Dieses für beide Teile günstige Verhältnis änderte sich jedoch in dem Augenblick, in welchem die Humanisten, länger als ein Menschenalter vor der Reformation, die Autorität der Kirche und die Unfehlbarkeit des Papstes angriffen. Natürlich blieb Rom die Antwort nicht schuldig. Fortan eiferten übereinstimmend hohe und niedere Geistliche „gegen die boshaften oder unklugen Menschen, welche die Buchdruckerkunst zur Verwirrung der Geister mißbrauchten, gegen die falschen Erklärer der Heiligen Schrift, welche nur ihr eigenes Licht leuchten lassen wollten“; jetzt entdeckten sie plötzlich, daß alle Irrlehren die falsche Auslegung der Bibel entstanden seien“, und verboten deren fernere Verbreitung, da das unerfahrene Volk an der Lektüre der Heiligen Schrift Ärgernis nehmen würde.[1] Kurz, die herrschende Kirche besann sich auf ihren eigentlichen Charakter und verfolgte nun die von ihr unabhängige Presse.

Allein es war zu spät. Als Rom die riesige Kraft der unscheinbar und bescheiden ins Leben getretenen Macht voll zu würdigen anfing, ließ sich ihr Siegeszug nicht mehr hemmen. Die vatikanischen Blitze zündeten nicht mehr.

Im Gegensatz zu diesen vornehmen und nach außen hin sogar mächtigen Feinden war der Umschwung der Geister ein so gewaltiger, der Lern- und Bildungstrieb infolge der Erschließung des lateinischen und griechischen Altertums ein so reger, das Verlangen nach litterarischen Hilfsmitteln ein so lebhaftes, daß auch äußerlich die Handschriftenhändler diesem allgemein gefühlten Bedürfnis nicht mehr genügen konnten und daß alle in ihren kleinen Interessen nicht bedrohten Volksklassen der Erfindung Gutenbergs freudig entgegenjauchzten. Die tiefe geistige Umwälzung ließ sich nicht mehr bannen. Die Menschheit fing an, sich


Fußnoten

  1. Worte desselben mainzer Erzbischofs Berthold v. Henneberg in seinem Censurerlaß vom 4. Januar 1486, der die göttliche Erfindung der Buchdruckerkunst lobt. Guden, Codex Diplomaticus. IV, 569.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/063&oldid=- (Version vom 1.8.2018)