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Alle diese Männer hatten natürlich ihre Neider und Feinde und waren bis auf den zuletzt genannten wenig beliebt, aber in dem einen Punkt groß: in der Liebe zu ihrer Kunst und zu ihrem Beruf, welchem sie vom ersten Auftreten der Familie an einen wahren Kultus widmeten. Sie betrachten es als ihre Lebensaufgabe, technisch möglichst vollendete Drucke zu liefern, und arbeiten mit einer Ausdauer und Geduld auf dieses Ziel hin, welches selbst den Hintergedanken eines kaufmännischen Gewinns auszuschließen scheint.[1] Stolz auf ihre Arbeit, rühmen sie sich ihrer mit vornehmem Selbstgefühl und rufen nicht allein das Urteil ihrer Zeitgenossen, sondern auch der Nachwelt an: „Libenter quicquid opus est, judicio doctorum ac posteritatis maxime remittimus.“ So wird denn ihr ganzes Thun auch von einem edeln Gefühl persönlicher Ehre und Verantwortlichkeit getragen, und selbst ihre kleinen Schwächen fallen ihren großen geschäftlichen Tugenden gegenüber kaum ins Gewicht. Namentlich ist es Bonaventura, welchem sogar von seinen Freunden schmutziger Geiz, Mangel an Aufrichtigkeit und Ablehnung jeder moralischen Verbindlichkeit vorgeworfen wird. So berechnete er 1639 dem Johann Friedrich Gronovius 15 Sous für Porto eines Briefs, welcher von Selden einem an die Elseviere gehenden Paket beigeschlossen gewesen war. Und doch enthielt dieser Brief nur Mitteilungen über eine Ausgabe des Livius, welche Gronovius auf Bitten der Elseviere für sie sogar ohne jedes andere Honorar als 12 Freiexemplare vorbereitete. Nikolaus Heinsius, auch ein Freund der Firma, bittet 1643 in deren Namen Gronovius die Vorrede zum Livius zu beenden und fügt höhnisch hinzu: „Was nun die Widmungsexemplare betrifft, so glaube ich fast, daß die Geizhälse sich diese selbst vorbehalten wollen“ (d. h. daß der Verleger nicht allein nichts zahlt, sondern die für jene Widmungsexemplare etwa eingehenden, dem Verfasser gebührenden Ehrengeschenke in die Tasche stecken will). Heinsius las dem Johann Elsevier eines Tags in Paris auf offener Straße den Text wegen Zurückhaltung eines für einen ihrer Geschäftsfreunde bestimmten Freiexemplars, sodaß der Verleger errötete und das bisher Versäumte noch nachträglich zu erfüllen versprach. Nirgends genoß deshalb auch die leydener Firma Liebe und persönliche Zuneigung. Wenn selbst die befreundeten Gelehrten sie homines avari, astutissimi mortales nannten, wie werden da erst die Beschuldigungen der Gegner gelautet haben.


Fußnoten

  1. Daselbst S. CLXXXII.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 515. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_08.djvu/068&oldid=- (Version vom 1.8.2018)