Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 051.jpg

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verehrt wurde und auch jetzt noch von uns in Ehren gehalten wird. Versuch’s nur Einer, ihn von dem Platze zu bringen, ich mag die Prügel nicht mit ihm theilen: er läßt nicht ab, bis er wieder auf dem Platze ist“. Der lustige Mühlbursche lachte laut auf über diese Mähr, im Stillen aber dachte er bei sich: „warte nur, Götz, mit Dir ist’s aus.“ Um Mitternacht als sie Alle schliefen, erhob er sich leise von dem Lager, schlich sich in die Mühle und sprach zu dem Götzen: „Herunter mit Dir, Bursche, mache keinen Lärm, daß die Müllermädel nicht erschrecken. Ich will Dich taufen, blinder Heide, im Namen Gottes.“ Mit diesen Worten warf er ihn in den Mühlgraben. Da auf einmal erhob sich ein pfeifender Sturmwind, daß das ganze Haus erbebte und die Fluth hoch aufschäumte und die Räder sich wie toll im Kreise herumdrehten. Todtenbleich vor Schreck lief der Mühlbursche schnell zurück in die Mühle, aber da gingen ihm erst die Augen über. Was nur in der Mühle war, Kübel, Säcke, Kästen, Beutel, ja selbst Müller und Knappe tanzten wie toll in der Mühle herum, darein erscholl der grelle Ton des Glöckchens. Alles krachte und donnerte, als wäre der jüngste Tag gekommen. Noch hatte der vorwitzige Bursche sich nicht vom ersten Schreck erholt, da kam ein Kübel geflogen, gerade auf ihn los, der ihm den Kopf zu zerschmettern drohte, und wie mit unsichtbarer Hand zog es ihn zum Mühlgraben hin, wo hinein er das Götzenbild geworfen hatte. Er nahm es auf den Arm und trug es alsbald auf den Platz zurück. Da standen die Räder wieder still, Säcke, Kübel und Beutel, Alles blieb an seinem Orte. In der Mühle ward es wieder still wie in der Kirche. Der Müller aber prügelte den leichtfertigen Burschen zur Thüre hinaus, und es ist bis heute kein Anderer wiedergekommen, der den Mühlgötz hätte taufen wollen.


650) Die Klagemutter zu Plauen.
S. Eisel. a. a. O. S. 124 Nr. 319.

Wenn in Plauen Jemand sterben will, da sieht man vor dem Hause ein Schaf liegen: das ist die Klagemutter.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_051.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)