Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 083.jpg

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Sonne die reine, keusche Minne und wie ein Kleinod trug er das Bild Rosamundens in seinem Herzen.

Tag für Tag stellte sich der Jüngling auf dem Schlosse ein und ihre Tage flossen, von Liebe bekränzt, leicht und schnell dahin. Zwar waren der Bewerber viele und unter ihnen reichere und angesehenere Herren als Otto, aber sein edler Sinn bewirkte, daß ihm alle freiwillig den Vorrang räumten. Nur Einer wollte nicht weichen: Herr von Römer nennt ihn die Sage, dessen Geschlecht, eines der ältesten des Voigtlandes, alle anderen an Reichthum und Glanz überstrahlte. Er war zwar auch schön und wohlgewachsen, aber seine Seele war schwarz und heimtückisch. Rosamunde konnte ihn nicht lieben, denn nichts war ihr mehr zuwider, als List und Verstellung.

Lange lebten die beiden Liebenden glücklich im Wonnerausch ihrer jungen Seligkeit und schon sollte in den nächsten Monaten die Hochzeit mit allem Glanze der damaligen Zeit gefeiert werden. Da erschien eines Tages ein kaiserlicher Herold, alle Ritter auffordernd, dem Heere des Kaisers zuzuströmen, der über’s Meer ziehen wolle, um den Ungläubigen das gelobte Land zu entreißen, das sie widerrechtlich im Besitz hätten. Entflammt von Thatenlust eilte die Blüthe der Ritterschaft herbei und ließ sich das Zeichen des Kreuzes aufheften, um sich für dasselbe in die Schlacht zu stürzen. Auch Otto von Stubenberg hörte die Kunde und ihn ergriff eine unnennbare Sehnsucht, das Land zu sehen, von wo der Strahl des Glaubens ausgegangen war, und an dem Orte zu beten, wo der Erlöser gewandelt und gelitten. Da dachte er an seine Rosamunde, gedachte seiner Liebe, seines nahen Glückes. Ein harter Kampf entspann sich in ihm, bis endlich das Gefühl für Recht und Pflicht in ihm obsiegte. Er ging zu Rosamunden, um ihr seinen Plan, seinen gefaßten Entschluß zu offenbaren. Gefaßt hörte ihn diese an, gefaßter, als er selbst vermuthet hatte. „Ziehe hin,“ sprach sie „ziehe hin in den Kampf, den Dir Deine Pflicht gebietet. Dies trage als Andenken von mir,“ sprach sie weiter, indem

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_083.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)