Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 169.jpg

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indem der eine dem andern nicht mehr hat wollen oder können Bescheid thun, bis sie endlich einander nach den Köpfen griffen und mit Fäusten also tractirten, daß viel Blut geflossen. Da besorgte jener oben erwähnte junge Edelmann, der ein frommer Herr und erst zwanzig Jahre alt gewesen, es möchte mit einem von Beiden ein schlimmes Ende nehmen, und als sie von Neuem wieder anfangen wollten, mit den Fäusten zu fechten, ist das gute Gemüth dazwischen gesprungen und hat den einen bei Seite genommen und mit ihm den Weg nach seines Vaters Hause eingeschlagen. Zu Hause angekommen, hat der Vater den fremden Gast wohl aufgenommen, ihn zur Tafel geladen und mit dem besten Trunke bewirthet. Nachdem sie manch gutes Glas mit einander ausgezecht und sich trefflich berauscht hatten, begiebt sich der Vater mit dem Gast zu Bette, den Sohn aber, der sich einen allzusteifen Rausch angetrunken hatte und mit dem Kopfe auf der Tafel liegend eingeschlafen war, ließ er daselbst zurück. „Er wird wohl aufwachen und sein Bett schon finden“, dachte der unbesorgte Vater. Spät in der Nacht weckt den berauschten Junker ein seltsames Rauschen und Rascheln am Fenster. Das kam von lauter kleinen schwarzen spannenlangen Männlein, die zum Fenster hereinsteigend bald das ganze Zimmer anfüllten. Der Junker entsetzt sich und will zur Thüre hinaus, da kömmt ihm plötzlich ein heller Schein entgegen und an der Thüre steht ein langer Mann mit einem ellenlangen schwarzen Barte und einem großen Lichte in der Hand. Zugleich wird es auch hinter ihm helle, und wie er sich umsieht, ist der ganze Tisch besetzt mit Lichtern, Trinkkannen und Humpen und rings herum setzen sich die kleinen Männlein und werden plötzlich lang und immer länger und haben große schwarze Bärte und schwarze Mäntel, weiß geschlitzte Wämmser und auf dem Kopfe Braunschweigische schwarze Hüte mit Hahnenfedern und güldenen Borten und es will den Junker bedünken, als wären etliche seiner Zechbrüder darunter, mit denen er den ganzen Tag getrunken. Sie grüßen ihn auch einer nach dem andern, heben die

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_169.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)