Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 228.jpg

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folgte ein Jäger des Ritters, Owate[1] genannt, mit etlichen Knechten einen Bären, der bis in die Wälder, welche jetzt die Grenze der Lausitz ausmachen, flüchtete. Sein Weg führte ihn auf unsern Sandsteinfelsen: die Jäger ihm nach, und da wo die breiteste Anhöhe des Felsens sich gen Süden hinneigt, erschlugen sie den flüchtenden Feind mit lautem Jauchzen. Die Jäger waren entzückt von der Aussicht auf diesem Berge, und riefen zurückgekehrt ihrem Herrn, dort eine Veste zu erbauen, allein derselbe ließ im J. 1211 daselbst nur erst ein hölzernes Jagdhaus errichten. Ohngefähr 20 Jahre später legten die Herren vom Burgberge bei Zittau hier ein Raubschloß an und beunruhigten von hier aus die Umgegend, zwar brachen dasselbe die Zittauer Bürger wieder, allein es ward 1312 von einem Herrn von Leippa nur noch fester wieder aufgebaut. 1319 kam der Oybin in die Hände des Königs Johann von Böhmen, der ihn seiner Schwester Agnes bei ihrer Vermählung mit dem Herzog Heinrich von Jauer als Heirathsgut gab, der die Burg nun durch Vögte verwalten ließ, welche das Räuberhandwerk abermals hervorsuchten. Am 8. Dezember 1343 fiel die Veste in die Hände des Herrn von Michelsberg, der sich bald zu einem der gefürchtetsten Raubritter des ganzen Landes machte. Allein Karl IV. von Böhmen, dieses Unwesens müde, eroberte die Burg 1349 nach tapferer Gegenwehr, und wenige der Räuber entgingen dem Tode, das Felsennest aber ward zerstört. Im Jahre 1369 ward endlich hier ein Cölestinerkloster errichtet, das erst 1568 wiederum einging, und dessen Ruinen noch heute diesen Ort zu einem der romantischesten Punkte der ganzen Oberlausitz machen.

Es läßt sich denken, daß so viele Besitzer dieses Ortes, welche nur vom Raube lebten, sowie angeblich auch die Klosterbrüder große Schätze aufhäuften, die sie in der Erde


  1. Pescheck, Gesch. d. Cölestiner des Oybin. Zittau 1840. 8. S. 5. Anm. 5. vermuthet mit Recht, daß der Name des Jägers „Owate“ nur durch das Versehen eines Chronikenabschreibers aus dem Namen des Ritters „Owal“ oder „Chwal“ entstanden ist.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_228.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)