Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 410.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gesucht und bekannt im ganzen Hexengrunde wegen seiner Fidel, mit der er an allen Kirchweihen, Erntefesten und Feiertagen den jungen Burschen und Mädchen zum Tanze aufspielte. Allein er verstand auch manche ernste, traurige Weisen und Lieder aufzuspielen, die dem Menschen zu Herzen gehen, und solche trübselige Melodieen spielte er eigentlich noch lieber als lustiges Zeug.

Da hatte er denn auch wieder einmal an einem zweiten Pfingstfeiertag in einem Dorfe bei Orlamünde zum Tanze aufgespielt und als der Tanz zu Ende war, ging er schon tief in der Nacht mit zwei Kameraden heim. Allein vorher beschlossen sie, erst noch hinauf auf den Schauenforst zu steigen und sich droben vom weißen Fräulein Gold und Wein zu holen. Denn sie hatten gehört, daß sie gerade in dieser Nacht denen, die da Muth hätten sie zu besuchen, gnädig sei und sie gern mit ihren Gaben beschenke. So stiegen denn die drei jungen Burschen keck und muthig den Berg hinan, geraden Weges auf die alte Burg zu, die im Mondenlicht flimmernd herabglänzte. Je näher sie aber dem alten Bau kamen, desto ängstlicher wurden die beiden Gefährten des Waldsachs. Es schien ihnen, als lugten bärtige Gesichter aus den zerfallenen Fenstern und als funkelte aus dem Innern heller Kerzenglanz, und wie die Wipfel der alten Bäume so geheimnißvoll über ihnen rauschten und ihre Schritte so hohl klangen und ihre Schatten so lang wurden, da litt es sie nicht länger, sie nahmen die Beine unter den Arm und jagten pfeilschnell wieder den Berg hinab. Waldsachs aber schritt unerschrocken dem alten Baue zu und trat furchtlos in den Burghof, aber wie geblendet stand er da, als er den ganzen Raum von tausend Kerzen prächtig erhellt und ringsum in der luftigen Halle reichgeschmückte Ritter und Edelfrauen in alterthümlicher, längst verschollener Tracht an herrlich besetzten Tischen sitzen sah. Doch bald faßte er sich wieder, zog schnell seine Geige hervor und spielte den seltsamen Gästen einen muntern lustigen Tanz auf, also daß die Edelfrauen und Ritter sich nach dem fremden Spieler umschauten und ihm freundlich zunickten.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_410.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)