Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 414.jpg

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Die Verlobten ziehen nach der Trauung um den Altar herum und der Brautdiener oder der Bruder der Braut, der sie zum Altar geführt hat, wünscht ihnen Glück. Wenn die Verlobten in die Kirche gehen, so pflegt die Brautmutter oder diejenige Frau, welche ihre Stelle vertritt, etliche Stück Kuchen, der Brautdiener aber etwas Geld unter die zusammengelaufenen Zuschauer zu werfen. Wenn der Bräutigam aus der Kirche geht, so wird er von etlichem zusammengelaufenen Volke aufgehalten, denen wirft er etwas Geld in die Rappuse. Zu Hause angekommen setzt sich der Bräutigam nebst der Braut zu Tische und Letztere hat die ganze erste Mahlzeit über einen langen Mantel um, der mit vielen Falten geziert ist. Des Bräutigams Mutter schneidet dem Bräutigam ein Stückchen Brod ab, desgleichen thut auch die Mutter der Braut. Von den Anwesenden nimmt nun ein Jeder etwas Weniges der Speise, und so es ein Braten ist, so legt er denselben ganz, wenn er etwas für sich abgeschnitten auf seines Nachbars Teller. Man setzt auch zuweilen der Braut und dem Bräutigam zwei brennende Lichter vor und giebt wohl Acht darauf, welches von ihnen am Meisten abnimmt. Wenn endlich alle Speisen abgetragen sind, so wird zuweilen eine Schüssel mit Wasser, darin Nüsse liegen, aufgesetzt, in diese legen die Gäste nach Belieben etwas Geld.

Abends beim Hochzeitstanze muß der Bräutigam mit der Brautmutter zuerst und nach diesem der Brautdiener mit der Braut in ihrem Mantel tanzen, bis sie solchen fallen läßt. Solches wird „den Mantel abtanzen“ genannt. Im Allgemeinen ist zu bemerken, daß die Mannspersonen mit starken Sprüngen, Schreien und mit in die Höhe gehobenen Händen, die Weibspersonen aber mit ganz engem Schritte und ganz sittsam hinter einander tanzen.

Nach Beschluß des Tanzes begiebt sich der Bräutigam zuerst zu Bett, hernach führt der Brautdiener nebst etlichen Verwandten die Baut in die Schlafkammer. Nachdem er nun die Braut zu Bett geführt, zieht er ihr in der Kammer den Stiefel oder Schuh aus, pflegt ihr auch die Zöpfe auszuflechten

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 414. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_414.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)