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stand, so steckte jener Knabe die Zunge heraus, wie es die chinesischen Porzellanpagoden noch jetzt machen, wenn man ihren in einem Gewichte gehenden Kopf in Bewegung setzt. Diesen Porzellanjungen, von dem ein zweites Exemplar auch auf dem Schlosse Hubertusburg stand, nannte man den dummen Jungen von Meißen. Gleichwohl ist dieser Spottname wahrscheinlich weit älter und bezeichnet den bekannten Judenkopf im Wappen der meißnischen Markgrafen. Hier kommt derselbe ohngefähr erst seit 1349 vor, wo dieselben die Belehnung mit dem Judenschutz vom Kaiser erhielten. Das Volk, welches die Bedeutung des Judengesichts mit der Schellenkappe nicht begriff, legte der Figur jenen Beinamen bei, und so entstand aus dem dummen Juden von Meißen ein dummer Junge von Meißen. Sonderbarer Weise haben aber die Juden jetzt noch ein freilich entgegengesetztes Sprichwort von den Weisen zu Meißen, welches sich auf den Sanhedrin, den sie früher hier besessen haben sollen, bezieht.


49) Räthsel von der Stadt Meißen.
Peccenstein, Theatrum Sax. II. S. 4. Curiosa Saxon. 1732. S. 72. sq. 289. sq. Berkenmeyer, Neuvermehrter Curieuser Antiquarius. Hamb. 1720. I. p. 642.

Von den Merkwürdigkeiten der guten Stadt Meißen existiren verschiedene Gedächtnißverse in lateinischer und deutscher Sprache. Wir setzen hierher als Probe des Meißner Poeten Johann Gottlob Kittel Reime, die freilich schlecht genug sind. Sie lauten also:

Schloß, Dom, Thurm und Fürsten-Gräber, Porcellan, Gewölbe, Wein,
Schule, Brücke, guter Brunnen, Frösche, die verstummet sein,
Die eilf Stücke schreibt von Meissen Fama selbst in Marmor ein.

Es giebt aber auch einige Räthsel von der Stadt selbst; das erste heißt:

Wo ist der Berg, darauf drey Schlösser stehen
Und nebenher drey Wässer gehen?

Die drei Flüsse nämlich sollen die Elbe, die Meiße, von der ganz Meißen den Namen haben soll, ob sie gleich sehr klein

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_057.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)