Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 344.jpg

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Schatz heben, der ihr beschert sei und niemand Anderem, davon solle sie die eine Hälfte den Armen geben, die andere aber behalten. Ob ihr nun gleich Viele zugeredet haben, dem Gebote Folge zu leisten, haben ihr doch die Geistlichen abgerathen, zumal weil der Betrüger niemals hat antworten wollen, wenn sie zu ihm gesagt haben: „alle guten Geister loben Gott den Herrn,“ sondern allezeit stillgeschwiegen hat. Auch hat er keine gewürgten Tauben annehmen wollen, denn man hat hier den Aberglauben, daß man einer Taube den Kopf abreißen und an den Ort der Erscheinung hinwerfen solle. Es hatte nämlich das Gespenst immer dazu gesagt, es wäre der Schatz mit unschuldig vergossenem Blute dahin gelegt worden, müsse also auch auf diese Weise wieder gehoben werden. Darum haben die Priester gemeint, der böse Feind wolle der dorthin gelockten Magd ohne Zweifel den Hals umdrehen. Sie hat es also abgeschlagen, gleichwohl aber vor dem Gespenste keine Ruhe gehabt.

Einst kam das Gespenst wieder zu ihr in die Küche, hatte einen weißen Trauerschleier um und fing mit ihr an zu sprechen; während es nun ein Bein über das andere geschlagen hatte, da sah die Magd, daß ihm ein Pferdefuß unter dem Kittel herausscheine, worauf es verschwand. Man glaubte aber, hier habe vor Zeiten ein Edelmann seine Schwester mit einem Bund Schlüssel todt geworfen. Dieses war das Gespenst; es kam bei Tag und Nacht, Niemand war vor ihm sicher, warf mit Steinen, schien zu zielen, traf aber Niemand. Zuweilen lief es aus einer Stube in die andere, rasselte mit Ketten, nahm auch zuweilen in dem obern Gestock den Verwaltern das Essen vom Tische und ging damit zur Thüre hinaus, wenn aber die hungrigen Leute es baten, ihnen ihre Speisen wiederzugeben, brachte es das Essen wieder unversehrt herein. Gesehen ward es zwar von Niemandem als der Magd, allein gleichwohl wollte zuletzt Niemand mehr im Schlosse bleiben. Endlich kam ein Beschwörer, der es auf acht Jahre wegbannte, auf länger aber gelang es ihm nicht. Einstmals ging ein Pfarrer mit Andern hinauf um es zu

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_344.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)