Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 358.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Philipp von Nassau, Feldherrn des kaiserlichen Heeres in Thüringen, ins Geheim verfolgt, da dieser durch der Brüder ruhmreiche Waffenthaten seine Hoffnung schwinden sah, einst in den Besitz ihrer vom Kaiser Albrecht ihm versprochenen Länder zu gelangen. Dem edlen Diezmann, der ihn mehrfach schimpflich aus dem Felde geschlagen, strebte er zunächst nach; indeß stand diesem ein entschlossener krieggeübter Schildknappe, Namens Stephan, der dem geliebten Herrn schon in mehreren Schlachten das Leben gerettet, stets wachend zur Seite. Markgraf Diezmann hatte die Lande Lausitz an den Markgrafen von Brandenburg abgetreten und sich im December des Jahres 1307 nach Leipzig auf die Pleißenburg begeben, um hier in frommer Betrachtung die Weihnachtszeit zu vollbringen. Die Feiertage naheten, da wurde ihm zur Büßung eines Fehltritts von seinem Beichtvater der Besuch dreier Messen auferlegt. Vergeblich war das Bedenken seiner Umgebung gegen diese Buße, wie die Warnung der markgräflichen Freunde in den mahnenden Worten des alten Spruches: „eine zweite Messe gut zur Noth, doch eine dritte bringt den Tod.“

Der edle Fürst furchtlos und keine Gefahr ahnend verfügte sich ohne alle Begleitung nach dem Gotteshause, der auferlegten Pflicht Genüge zu thun. Er hatte die Hainthorkapelle, so wie die Pauliner Kirche bereits verlassen und den Weg nach der Thomaskirche eingeschlagen, als er im Morgengrauen einen vermummten Ritter hinter sich gewahrte. Ihm zu entgehen spornt er sein Roß mächtiger, so daß ein Hufeisen desselben weit bis zur Nicolaikirche fliegt, und gelangt so in die menschenerfüllte Kirche, wo er auf den Stufen des Altars niedersinkt. Der ihm zu Fuße nacheilende getreue Schildknappe konnte leider nicht mehr in seine Nähe kommen. Kaum hat nun der Lobgesang: Benedictus, qui venit in nomine Domini! begonnen und die Kerzen sind ausgethan, als ein raschgeführter Dolchstich seines nächtlichen Verfolgers ihn zu Boden streckt. Diezmann starb einige Tage darauf, standhaft und fromm in seinem 37. Jahre und wurde in der Paulinerkirche fürstlich beigesetzt.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_358.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)