Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 365.jpg

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Ufern der Elster und Pleiße, wo man oft sein nächtliches Heulen höre.


418) Die Funkenburg zu Leipzig.
Edm. v. Felsthal, a. a. O. S. 282 sq.

Die Funkenburg, bis auf die neueste Zeit der Lieblingsort der Gose-[1]Trinker, war vor Zeiten eine stattliche Ritterburg. Lange verlassen, verfallen und öde, nahm endlich ein Geistervolk von ihren Mauern Besitz, trug seine Schätze nach derselben und wachte darüber. Niemand kehrte mehr hier ein, nur in einem Winkel der Burg wohnte ein alter Ritter, still und eingezogen, von dem man nicht wußte, ob sie ihm gehöre oder ob er sich hier angesiedelt habe.

Einst ward ein Fürst aus Thüringen vom Unwetter genöthigt, auf dieser Burg eine Zuflucht zu suchen. Der alte Ritter empfing ihn, machte ihn aber mit den Geheimnissen seines Aufenthaltes bekannt und rieth ihm, sich anderwärts ein bequemeres Nachtlager zu suchen; doch der Fremde schützte Müdigkeit vor, behauptete, sich nicht vor Burggeistern zu fürchten, so daß Jener nachgab und auf ausdrückliches Verlangen ihm sein Lager im großen Burgsaale, welchen der Sage nach die Geister des Schlosses bewohnten, bereitete.

Der Prinz begab sich zur Ruhe. Doch beim Schlage der Mitternachtsglocke erwachte er. Er richtete sich empor. Die Lichter waren abgebrannt und flackerten nur noch wenig, der Mond fiel durch die Fensterscheiben in den Saal, er konnte jeden Gegenstand erkennen.

Die Glockenschläge verhallten. Da erhob sich ein Wehen und Sausen, das in Gepolter überging; beim Kamine regte es sich; jetzt stürzten allmälig ein Bein, ein Arm, ein Kopf und Leib herab, rollten weit im Gemach umher und bildeten sich zu einer vollkommenen Menschengestalt aus, die dann im Saale umherging. Von Neuem knisterte und knackerte es,


  1. Ueber den Ursprung dieses Bieres s. Melissantes, Bergschlösser. S. 642 und meine Bierstudien (Dresden 1872) S. 31. 71.
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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_365.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)