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508) Der rothe Stein auf der Kirchgasse zu Annaberg.
Ziehnert, Bd. III. S. 198.

Auf der untern Hälfte der großen Kirchgasse in Annaberg befindet sich im Pflaster ein rother Stein, von dem Folgendes erzählt wird:

Ein Chorknabe stand auf der Galerie des Kirchthurmes und ward von einem Windstoß erfaßt und herabgeworfen. Da ihm nun sein Chormantel als Fallschirm diente, so kam er glücklich und wohlbehalten auf die Erde. Dieses sah ein Schieferdecker, und alsbald kam dem verwegenen Gesellen das Gelüste an, dieselbe Fahrt, welche ihm lustig genug schien, auch zu versuchen. Er nahm also einen Mantel um, stieg auf den Thurm und sprang hinab. Aber wehe, der Mantel verwickelte sich und kopfüber im gählingen Sturze schmetterte der tollkühne Schieferdecker auf das Pflaster. Wo er seinen blutigen Tod fand, setzte man zum Andenken den rothen Stein in das Pflaster.


509) Das Gespenst in dem Zobelschen Hause zu Annaberg.

M. E. Zobel, hist. u. theol. Vorstellung d. abenteuerlichen Gespenstes, welches in einem Hause zu Annaberg zwei Monate lang im 1691. Jahre viel Schrecken angerichtet. Lpzg. 1692. 8 u. Declaratio apologetica oder schutzschriftliche und fernere Erklärung über die St. Annaberg. Gespensterhistorie wider des H. Balth. Bekkers Buch, gen. die bezauberte Welt Lpzg. 1695. 8. S. a. Hauber, Bibl. Mag. Bd. III. pag. 343 sq. u. Remigius, Daemonol. II. S. 251 sq., Auszug bei Lehmann, Obererzgeb. Schauplatz S. 951.

Im August und September des Jahres 1691 hat ein teuflisches Gespenst in dem Bürgerhause des M. Enoch Zobel zu Annaberg vielerlei Unruhe und Confusion angestiftet, wie derselbe selbst weitläufig beschrieben hat. Es hat mit Auf- und Niedergehen, Klappern, Schlagen, Auf- und Zumachen der Thüren, Werfen, Fallen, Verschleppen alles Hausraths, Rufen, Lachen, Zupfen an den Kleidern, schimpflichen Necken einer Magd viel seltsame Händel getrieben; ist bisweilen als

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 442. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_442.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)