Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 460.jpg

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Hierauf gebot die Fürstin der Berge – denn das war sie – einem der Zwerge, ihr eine Urne von Sardonyx aus einem Krystallschränkchen zu bringen, nahm daraus ein Kreuz von blitzenden Diamanten und sprach: „Käthchen, trage dieses Kreuz stets auf Deiner Brust und der Böse wird Dir nichts anhaben können!“ Bei diesen Worten nahm der Zwerg eine Schnur Perlen aus der Urne, knüpfte daran das Kreuz und hing es ihr um den Nacken. Damit nahm er Käthchen wieder bei der Hand und führte sie denselben Weg wieder zurück, den sie gekommen waren, und als er den Felsen wieder mit Hilfe des Crucifixes geöffnet, da nahm er Abschied von ihr und sprach, sie solle ruhig sein, denn sie stehe in Gottes Schutz. Als Käthchen nach Hause kam, fand sie ihren Vater daheim und erzählte ihm, was ihr begegnet war, zeigte ihm auch das Kreuz als Beweis der Wahrheit ihrer Erzählung. Da erwiderte ihr derselbe, daß auch ihm etwas Aehnliches widerfahren, denn er habe im Schachte beim Graben ein goldnes Jesuskreuz gefunden. Als sie es näher betrachteten, um vielleicht ein Merkmal zu finden, an welchem sie den rechten Besitzer erkennen könnten, sahen sie den Namen des Steigers darauf geschnitten, mit den Worten: „Dem Gläubigen hilft Jesus Christus.“

So erwarteten sie voll guten Muths das Ende der Woche und die früher so gefürchtete Mitternachtsstunde. Endlich schlug sie, und kaum war der letzte Schlag verklungen, da pochte es an das Fenster und brüllte: „heraus die Braut, heraus die Braut!“ Da öffnete Käthchen selbst das Fenster und hielt dem Bösen ihr schimmerndes Kreuz entgegen und unter furchtbarem Wehgeschrei wich er zurück, zuvor aber rief er: „Käthchen, Dich schützt Gottes Macht, ich habe keinen Theil an Dir, aber jetzt ist die Reihe an Dir, Günzer, mir in die Hölle zu folgen, komm heraus, daß ich Dich packen kann!“ Allein auch hier mußte er weichen, denn Günzer hielt ihm sein goldnes Jesuskreuz entgegen, allein diesmal verschwand er nicht so ruhig, wie die frühern Male. Ein furchtbares Gewitter begann sich zu entladen, ein Orkan warf die

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_460.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)