Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 461.jpg

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stärksten Bäume nieder und erschütterte das Häuschen in seinen Grundfesten, der zum Strom angeschwollene Waldbach drohte dasselbe wegzureißen, allein kaum schlug es Eins, so war Alles wieder still und der Mond leuchtete silberhell durch die finstern Wolken.

So ward nun Käthchen ihres höllischen Bräutigams ledig, und nach zwei Jahren ehelichte sie ein wackerer Bergmann aus Frohnau, der ihr schon längst sein Herz geschenkt hatte. Der Bergmeister aber verlieh demselben die Stelle des alten Günzer, der sich nunmehr zur Ruhe setzte und den Rest seines Lebens bei seinen Kindern zu verleben dachte. Noch schenkte ihm Gott zehn Jahre und er hatte die Freude, innerhalb dieser Zeit drei Enkel auf seinen Armen zu wiegen. Als ihn aber Gott abrief, da vergaß sein Käthchen nicht, welches Loos er mit ihr getheilt hatte und wie die Fürstin der Berge sie herrlich geführt hatte. Darum ließ sie ihren Vater an jener Stelle am Felsen bestatten, wo der Engel denselben gespalten hatte, und nun ging sie jeden Tag hin, um dort für das Seelenheil des geliebten Verstorbenen zu beten. Dieß that sie lange Jahre, bis sie selbst eine Greisin war. Einst aber ging sie auch, um an dem Grabe ihres Vaters zu beten und kehrte nicht zurück, und als ihr Mann und ihre Kinder hinausgingen, um sie zu suchen, da fanden sie nur ihre Leiche, aus dem Felsen trat aber der Engel im Rosenlicht, küßte die Entseelte auf die Stirne, nahm ihr das Demantkreuz ab und schwang sich damit zum Himmel auf. Der tiefbetrübte Gatte aber rief einige seiner Kameraden herbei und brach ihr ein Grab in den Felsen ein, und als Raum genug vorhanden war, um den Sarg hineinzusetzen, und die Leidtragenden eben damit beschäftigt waren, denselben an seinen Ort zu stellen, da schwebten zwei Engel herab, hoben ihn von der Bahre, stellten ihn in den Felsen und schlossen denselben wieder mit einem großen Quadersteine so geschickt, daß Niemand mehr sehen konnte, wo die Oeffnung gewesen war. Seit jener Zeit aber nennt man jenen Felsen, wo Käthchen den ewigen Schlaf schläft, den Käthelstein.

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_461.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)