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„Nicht alle Menschen sind falsch! – Du triffst es ein andermal wohl besser!“ warf Grim ein.

„Nein, nicht alle Menschen sind falsch, wenn auch das Unglück ein scharfer Prüfstein ist für die Aufrichtigkeit der Freunde. Bjoern in der Myraharde war mir ein redlicher Kamerad. Und auch die Arnarvatnsheide ließ mich einen gleichen finden!“ –

„Wer war das?“ fragte Grim.

Nun erzählte Gretter von Thorers Angriff und von des Reifriesen kräftiger Hülfe. „Dieser Hallmund nahm mich dann mit sich, und ich blieb bei ihm. Beim Scheiden sagte er: ‚Sprich wieder bei uns vor, sobald du magst!‘“ –

„Ich würde in deiner Stelle dieser Einladung folgen,“ sagte Grim.

„Ich muß nun wohl,“ versetzte Gretter. „Aber du vergißt, Freund, daß die Reifriesen nicht unseres Geschlechtes, daß sie nicht Menschen, wie wir, sind. Bei all ihrer Liebe und Hülfe, die ich dort erfuhr, habe ich dieses Gefühl des Fremdseins doch nie verloren! – Gleiches gesellt sich stets zu Gleichem!“ –

„Das thut’s,“ sagte Grim. „Aber ein Friedloser, wie du, kann nicht immer leben, wie er mag. Die Not lehrt sich schicken, und zwingt zu entsagen!“ –

„Es ist bitter, geächtet zu sein,“ sagte Gretter. „Ohne Haus, ohne Familie, ohne Heimat! Auf ewiger Flucht! Wie ein räudiger Hund gehetzt, den jeder totschlagen kann! – Leb denn wohl! – Ich geh wieder zu Hallmund!“ –

Sie schüttelten sich bewegt die Hände, und schieden.

Gretter stieg die bekannten Bergpfade hinauf. Das graue, baumlose Gestein paßte zu seiner düsteren Stimmung. Aber, wenn er den Blick erhob zu dem hellen Junihimmel mit seiner rastlos wandernden Sonne, die nicht Zeit sich nahm unterzugehen, sondern ununterbrochen ihren Glanz ausschüttete auf die jubelnde Erde, dann kamen ihm doch wieder frohere Gedanken.

Er trat in die Behausung Hallmunds ein. Das Licht der einfallenden Sonne spielte auf dem Moos, das, wie ein kunstvolles Gewebe, die Wände überzog, leuchtete wieder auf dem Erz der zum Schmuck aufgehängten Wehr und Waffen.

Hallmund saß, und schnitzte vertiefte Figuren in ein Holzgefäß. Die Reifriesin, seine Tochter, stand am Heerde, und rüstete die Abendkost.

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/185&oldid=- (Version vom 1.8.2018)