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Steuerdruck belastet, zeichnete im Durchschnitt die Bewohner aus, sodaß ein Häuptling[1], auf dem Althing[2] zu einer Geldstrafe verurteilt, imstande war, nach unserem Geldwert 33 000 Mark aus seinem Wams als Buße herzureichen.

Hinter den Edelsitzen lagen die Gehöfte der Bauern. Hinter den Bauern standen die Knechte, alle in Waffen geübt und bereit, auf des Herrn Wink die friedliche Arbeit zu unterbrechen, und, ein stattliches Heer, entweder die Fehde mit einem benachbarten feindlichen Geschlechte auszufechten, oder auf dem Thing[3], wo im Redekampf das Recht ausgeglichen wurde, die Stimme ihres Herrn und das Ansehen seiner Person durch ein gewichtiges Gefolge zu unterstützen.

Und in der That, ein weichliches und feiges Geschlecht konnte auch hier nicht gedeihen, wo Winter und Meer den Vernichtungskampf gegen alles Leben immer wieder erneuerten.

Noch hatte das Christentum, im Jahre 1000 durch den Althing auf Empfehlung des Gesetzessprechers Thorgeir Thorkelsohn[4] als Landesreligion angenommen und eingeführt, nicht die altheidnischen Vorstellungen und Sitten überwunden; aus den Felsenschluchten kommen noch die Reifriesen[5] und die Dämonen hervor und greifen ängstigend und vernichtend in das Leben der Menschen ein und die Waffe des alten Weibes ist noch die gefürchtete Zauberformel.

Unsere Geschichte fällt in die Periode dieser politischen und religiösen Gährung von 995–1030, wo sich das nordische Reckengeschlecht in seiner ganzen Wildheit, aber auch in seinem hohen Adel offenbarte.

In dieser Umgebung und unter diesem Geschlecht spielen sich ab die folgenden Ereignisse, nicht Sage, sondern Geschichte, in welche historische Persönlichkeiten, wie Olaf der Heilige[6], Magnus der Gute[7] und Michael Kalaphates von Konstantinopel[8] eingreifen.

Von Kamin zu Kamin erzählt, vom Großvater dem Enkel überliefert, während die Winterstürme das Dach umtoben, in einem sangesfrohen Geschlecht, wird der flüssige Stoff der Ueberlieferung endlich von der schriftkundigen Hand des Snorre aus dem Geschlecht der Sturlungen[9] ums Jahr 1200 in das geschriebene Wort gefaßt. So liegt es uns in einer Urkunde vor, deren verschwiegenen Schoß wir hier zum ersten Male für die deutsche Lesewelt aufschließen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. vgl. Godentum
  2. isl. Alþingi
  3. vgl. Thing
  4. isl. Þorgeir (Ljósvetningagoði) Þorkelsson
  5. vgl. Jötunn
  6. Olav II. Haraldsson
  7. Magnus I.
  8. Michael V. Kalaphates
  9. isl. Snorri Sturluson


Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)