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tiefer kommend, endlich auf Holzwerk stieß. Dieses klang beim Aufstoßen hohl und verriet darunter den leeren Raum. Inzwischen war der Tag zu Ende gegangen und die Sonne sank. Im Westen glühten auf Himmel und Meer wie im zornigen Feuer.

Oedun hatte still dabei gestanden, ohne an der Arbeit teilzunehmen.

Gretter verlangte nun nach einer Axt, um ein Loch in die Bohlen zu hauen.

„Laß es nun genug sein,“ sagte Oedun.

„Halbe Arbeit ist keine Arbeit!“ erwiderte Gretter.

„Unheimlich ist der Ort; die Nacht bricht an; mir graut,“ sagte Oedun.

„Und mich gelüstet es zu sehen, was unter diesen Balken steckt. Gieb her!“ rief Gretter.

Er ergriff die hinabgereichte Axt, und unter den wuchtigen Schlägen entstand in der Bohlenlage ein Loch, groß genug, um eines Menschen Körper durchzulassen.

„Nun ein Tau!“ gebot Gretter. „Mach’s oben fest und paß gut auf, daß es nicht losläßt. Ich steige jetzt an diesem Seil hinab!“ –

„Gretter,“ bat Oedun, „steig nicht hinab. Es kostet dir dein Leben!“

„Laß mich! Ich muß mich erkundigen, wer hier unten wohnt!“ rief Gretter. Inzwischen war es Nacht geworden. Der Wind ächzte in den Klippen, und hohl schlug die Brandung auf das Ufer. Gretter drückte seinen Körper durch das Loch im Balkenwerk hindurch und ließ sich langsam an dem Seil hinab. Ein häßlicher Modergeruch kam ihm entgegen. Endlich hatte er Boden unter den Füßen. Er ließ das Tau nun los und tastete, beide Hände vorstreckend, in der Finsternis umher, forschend, wie groß der Raum und was sein Inhalt? Nun stieß er mit dem Fuß an das Gerippe eines Pferdes, dann faßte seine Hand die Kante eines Stuhles. Auf diesem saß ein Mensch. Gretter glitt mit seinen Handflächen am Toten herab, vom Kopf zum Bart, vom Bart zur Brust, bis zu den Füßen. Die Füße standen auf einem Schrein. Er klopfte an die Wand des Kastens. Der gab einen Klang, wie von Silber.

„Der Schatz!“ sprach Gretter mit gedämpfter Stimme zu sich selbst.

Vorsichtig versuchte er nun den Schrein unter den Füßen des toten Mannes hervorzuziehen. Es gelang. Der Kasten war sehr schwer.

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)