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Unter ihnen befand sich auch Oedun.

Gegen diesen hatte Gretter vor drei Jahren im Ringkampf den Kürzeren gezogen. Oedun wohnte auf Oedunsstaetten im Vidithale als selbständiger Bauer, genoß allgemeinste Achtung und galt als der stärkste Mann auf dem Nordlande.

Um so mehr gelüstete es den Gretter, ihn wieder zu sehen und seine Kräfte an ihm zu messen.

Es war um die Zeit der Heuernte.

Gretter suchte sich ein gutes Pferd aus, legte den gemalten Reitsattel und den silberbeschlagenen Zaum auf, beides die Geschenke von Torfin. Er selbst zog seine kostbarsten Kleider an und waffnete sich mit Waffen von vorzüglicher Arbeit.

So stieg er zu Pferde und ritt von Bjarg nach Oedunsstaetten hinüber. Der Weg war nicht weit, und bereits am Vormittage kam er dort an. Nur wenige Leute waren auf dem Hofe, denn alles war draußen bei der Heuernte.

„Wo ist Oedun, euer Herr?“ fragte Gretter auf den Hof reitend.

„Der ist auf das Gebirge geritten nach der Saeter (Sennhütte) und holt Mundvorrat!“

„Wann erwartet ihr ihn zurück?“

„Jeden Augenblick kann er kommen!“ –

„So bleib’ ich!“ –

Gretter nahm den Zaum seinem Pferde ab und ließ es grasen auf einer fetten Wiese, die unmittelbar am Hofthor lag. Er selbst ging in das Haus seines Vetters und trat in das leere Wohnzimmer. Hier warf er sich auf eine Bank, die mit einem Bärenfell bedeckt war und schlief fest ein.

Bald darauf kam Oedun zurück. Er führte an der Leine zwei Pferde, beladen mit Lebensmitteln, und am Sattelknauf des dritten, auf dem er selbst ritt, hingen zwei Ledersäcke, gefüllt mit Skyr, einem weichen Käse, den man in Schnitten zum Brote aß. Er nahm die Last den Pferden ab und trug die Skyrbeutel in das Haus. Aus dem hellen Tageslicht in den Dämmerschein der Stube eintretend, war sein Auge geblendet und er sah den schlafenden Gretter nicht, noch weniger dessen ausgestrecktes Bein, welches, von der Bank herabgeglitten, quer über dem Fußboden lag.

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Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/78&oldid=- (Version vom 1.8.2018)