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Glams Griffe vermochten nichts.

Dann griff Glam zum zweiten Male zu.

Auch diesmal gab der Mantel nicht nach.

Nun griff das Gespenst zum dritten Male und zwar mit beiden Händen.

Jetzt gab der Mantel nach, und Gretter, der seine Decke fest umklammert hielt, kam dadurch aufrecht zum Sitzen.

Glam packte den einen Zipfel an, Gretter den anderen, so zerrten sie. Der Mantel riß in der Mitte durch und blieb zur Hälfte in Beider Händen. Das Gespenst betrachtete den Fetzen in seiner Hand, verdutzt über die Kraft des Gegners.

In diesem Augenblick sprang ihm Gretter an den Leib, umklammerte des Gegners Hüften und suchte durch den Druck der Fäuste den Rücken ihm ein zuknicken.

Das Ungetüm aber packte Gretters beide Schultern an. So hielten sie sich gefaßt und rangen mit einander. Alles wich, wohin sie stießen. Hier zersplitterten Bankpfosten, dort zerschellten Tische. Gretter stemmte seine Füße fest, wo immer nur er einen Halt finden konnte. Aber das Ungetüm war riesenstark. Es zerrte den Gretter endlich aus dem Schlafhause heraus.

Auf der Diele fing der Kampf mit verstärkter Heftigkeit wieder an. Das Ungetüm wollte den Gretter ins Freie hinausschleppen. Dieser umklammerte mit seinen Füßen, was nur erreichbar war, und widersetzte sich aus voller Macht. Denn er sprach bei sich selbst: „Kann ich schon hier im Hause kaum mich wehren, so bin ich draußen verloren, wo mir jeder Rückhalt fehlt!“

Schon riß das Gespenst ihn zu der Hausschwelle hin. Die Thür stand offen und der Mond warf auf die Diele seinen hellen Schein.

Die Hausschwelle war von Stein und unter ihr der Boden hohl. Gretter hakte seine beiden Füße unter die Steinschwelle und hielt sich so fest.

Das Gespenst zerrt mit aller Wucht. Es beugt sich hinten über. Es verliert das Gleichgewicht. Es fällt. Es schlägt mit seinem Rücken hart auf den Boden auf, so daß der ganze Hof davon erdröhnt, und Gretter, wie eine Katze, springt auf das liegende Ungetüm und umklammer seine Brust.

In diesem Augenblick fliehen die Wolken und legen die Mondscheibe frei. Ihr Strahl fällt auf die verzerrten Züge des Gespenstes. Gretter sieht in die furchtbar rollenden Augen und, vom Todesschreck gepackt, sinkt er ohnmächtig an der Brust des Ungetüms zusammen.

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/98&oldid=- (Version vom 1.8.2018)