Seite:Grimm Linas Maerchenbuch II 004.jpg

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Da richtete sich die todtkranke Königin noch einmal auf in ihrer letzten Kraft, und faßte ihres Gemahls beide Hände mit ihren Händen, und sprach: „Seht, ich weiß, daß Ihr mich werthgehalten habt vor Allem in der Welt um meiner Schönheit willen, und daß Ihr mich oft genannt habt die schönste Perle Eurer Krone. Ich mahne Euch daran nicht aus Eitelkeit, denn dies verschwindet gewiß, wenn man schon mit dem einen Fuße im Grabe steht, wie ich. Nein, ich wollt’ Euch nur daran erinnern, wie Ihr Euch selbst oft glücklich gepriesen, um Eurer schönen und tugendhaften Gemahlin willen. Nun möcht’ ich Euch aber auch nach meinem Tode noch eben so glücklich wissen, als Ihr bei meinem Leben gewesen. Darum bitt’ und beschwör’ ich Euch, mein Gemahl, wenn ich zu Grabe gebracht bin, und die Trauerzeit um ist, so laßt mein Bildniß hundertmal abkonterfeien, und schickt es umher in Euerm Lande, bis Ihr ein Mädchen findet, das meinem Bilde ganz ähnlich ist an körperlicher Schönheit. Und die mir ganz ähnlich ist an körperlicher Schönheit, die wird mir auch ähnlich seyn an Tugend, und ähnlich werden an Liebe zu Euch, daß Ihr mit ihr glücklich leben werdet, wie Ihr mit mir gelebt habt. Und habt Ihr ein solches Mädchen funden, so setzet ihm Eure Krone auf das Haupt, und nehmt sie an meiner Statt zu Eurer Königin und Gemahlin, daß sie Euch, wie ich oft gethan, durch ihre

Empfohlene Zitierweise:
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_004.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)