Seite:Grimm Linas Maerchenbuch II 035.jpg

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Wirthe einen frischen Trunk. Aber der Wirth ging, und holte ihm einen frischen Trunk, und stellte ihm selbigen vor auf den Tisch, und redete nicht, und sagte nicht einmal: „Wohlbekomm’s.“

Da ward Brunnenhold neugierig, zu hören, warum die ganze Stadt also traurig wäre, und wandte sich zu dem Wirthe, und sprach: „Ei, sagt mir doch, mein Freund, was ist Euch denn begegnet und Eurer Stadt? Ihr geht in schwarzen Kleidern, und überall seh ich schwarze Tücher ausgehängt und Trauerflöre wehen. Wer ist Euch denn gestorben?“

Aber der Wirth seufzte schwer, und sprach: „Ach, Herr, wir haben ein groß Unglück! Seht, stellt Euch da her an das Fenster, und schaut da hinüber! Was seht Ihr drüben auf dem Berge?“

„Ich sehe nichts,“ sprach Brunnenhold, „als einen großen viereckigen Fels.“

„Nun ja!“ sagte der Wirth, „so seht Ihr unser ganz Unglück vor Augen.“

Da verwunderte sich Brunnenhold und sprach: „Wie kann aber der Stein Euer ganzes Unglück seyn? das begreif’ ich nicht! Er liegt ja recht fest auf dem Rücken jenes Berges, und mag da noch lange liegen, ehe er herunterfällt und Euer Haus zusammenschlägt.“

Empfohlene Zitierweise:
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_035.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)