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38. Die Frau Füchsin. 1856 S. 66.

1812 nr. 38, I–II; das 2. Stück von Clemens Brentanos Schwester Frau Lulu (Ludovica) Jordis im Herbst 1812 gehört. In den Anmerkungen 1822 heißt es: Wird vielfach in Hessen und in den Maingegenden erzählt; wir teilen hier die zwei bedeutendsten Abweichungen mit.

Die andern Verschiedenheiten laufen dahin aus, daß der alte Fuchs wirklich oder nur scheintot ist wie im altfranzösischen Gedicht[1] und daß entweder bloß Füchse oder auch andere Tiere kommen und um die Witwe freien. Im letzten Fall sind ihre Fragen mannigfaltiger: ‘Wie sieht der Freier aus? Hat er auch ein rot Käppchen auf?’ ‘Ach nein, ein weiß Käppchen’, denn es war der Wolf. ‘Hat er ein rot Kamisölchen an?’ ‘Nein, ein gelbes’, denn es war der Löwe. Die Anrede an die Katze im Eingang hat auch mancherlei Verschiedenheiten:

‘Frau Kitze, Frau Katze,
Schön Feuerchen hatse,
Schön Fleischchen bratse;
Was macht die Frau Fuchs?’

Oder auch:

‘Was macht sie da, mein Kätzchen?’
‘Sitze da, wärm mir das Tätzchen.’

Hernach

Da lief das kleine Kätzelein
Mit seinem krummen Schwänzelein
Die Treppe hoch hinauf:
‘Frau Füchsin, ist sich drunten ein schönes Tier,
Gestaltet wie ein schöner Hirsch vor mir’.

‘Ach nein’, antwortet die Frau Füchsin und hält dem alten Herrn eine Lobrede, worin sie seine mancherlei Tugenden erwähnt; jenachdem die verschiedenen Tiere beschaffen sind, wird immer etwas anderes am Fuchs gelobt.


  1. Am 24. Oktober 1810 schreibt Jacob Grimm an Joseph Görres: ‘Die schönen Reime von der Frau Füchsin, die in der Kammer sitzt und ihren Jammer weint, ihre Augen sind seidenrot, weil der Fuchs ist tot etc. glaube ich in dem französischen Renard wieder zu erkennen, und im plattdeutschen Buch ist keine Spur davon’ (J. v. Görres, Gesammelte Schriften 8, 133). In der deutschen Mythologie ³ S. 634 hebt er die neun Schwänze des Fuchses hervor. Für die Rolle der Katze als Magd der Füchsin verweist er auf den Ausdruck ‘Kammerkätzchen’.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_362.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)