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wo er doch vorhanden war, zu festigen. Man muß sich nur vergegenwärtigen, was im Kriegsgebiete an privatem Eigentum mutwillig oder ohne zwingende Veranlassung, nur aus Nachlässigkeit und aus Zerstörungstrieb, beschädigt und vernichtet worden ist, ohne daß die vorgesetzten Behörden auch nur den Versuch gemacht hätten, dem barbarischen Treiben der Soldaten Einhalt zu gebieten. Wie sehen die kleinen Städte, die Güter, Siedelungen, wie sieht der Rigasche Strand aus, der in einen wüsten Trümmerhaufen verwandelt worden ist, ohne daß in diesem Bezirk je ein feindliches Geschoß gefallen wäre! Wie sehen zahllose Häuser der Stadt aus, in denen Soldaten gelebt haben oder in denen militärische Institutionen sich befunden haben! Man könnte glauben, daß hier Hunnen gehaust hätten.

Im Vergleich zu diesen Schäden, die unter den Augen der vorgesetzten kaiserlichen und revolutionären Behörden sozusagen auf durchaus legaler Grundlage verursacht worden sind, kommen die Zerstörungen der Marodeure kaum in Betracht.

Alle diese Dinge mußten natürlich nicht nur zur Verwilderung der Mannschaften und zur Lockerung der Manneszucht beitragen, sondern sie bildeten auch die Keime, aus denen die Saat der Räuberei sich üppig entwickelte und so furchtbare Frucht trug. Diese Keime hat aber nicht etwa die russische Revolution in das Heer getragen, sondern sie bildeten sich bereits zur Zeit der zarischen Regierung auf dem Boden der Recht- und Gesetzlosigkeit, die die Herrschaft der Romanows von jeher gekennzeichnet hat und die dazu geführt hat, daß der Russe von keinerlei Eigentumsskrupel belastet ist.

Man darf nicht vergessen, daß bereits unter der zarischen Regierung Desertion, Diebstahl, Raub und Mord in der Armee immer weiter um sich gegriffen hatten. Freilich durfte damals über diese Dinge nicht geredet werden, — dafür sorgte zum Schaden der russischen Armee und der Bevölkerung die russische Kriegszensur. Die „große russische Revolution“

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/140&oldid=- (Version vom 1.8.2018)