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oder ein Boot benutzen, wobei es sich dann nur zu oft ergab, daß die Reise, die per Eisenbahn etwa eine Stunde erfordert hatte, nun fünf oder auch mehr Stunden währte, von den Kosten dieser phantastischen Expeditionen will ich nicht reden.

Der Wirrwarr wurde noch größer, als plötzlich aus irgend einem unerfindlichen Grunde ganz Petersburg nach der Seeseite hin von Trancheen umzingelt wurde; Zehntausende Menschen arbeiteten an diesen Trancheen oder sie fällten Bäume und legten ganze Waldstrecken nieder. Als das bekannt wurde, da flohen auch die Tapfersten aus den Sommerfrischen, und bald standen diese mitten im Sommer vollständig verödet, — Hunderttausende strömten im Laufe einer Woche in die Residenz zurück, und zwar nicht nur aus der nächsten Umgebung der Residenz, sondern auch vom Rigaschen Strande, aus dem Kaukasus und der Krim, wo sich ähnliche Szenen, wie in Finnland, abgespielt hatten.

Man war also wieder glücklich in der Stadt, wo man die eingemotteten Möbel von ihren Überzügen befreite, die Teppiche auspackte, die Beleuchtungskörper enthüllte und sich dabei leise fragte, warum man eigentlich geflohen war. Da man aber nun einmal da war, so mußte man die Konsequenzen aus dem jähen Dekorationswechsel ziehen, — man verproviantierte sich „für alle Fälle“. Man kaufte Mehl, Grützen, Tabak, Schinken, Würste, Zucker, Tee, Kaffee und tausend andere Dinge, deren man zu seines Leibes Notdurft und Nahrung bedarf. Die Warenvorräte nahmen reißend schnell ab, die Preise kletterten flott in die Höhe und bald waren verschiedene Waren überhaupt nicht mehr zu haben. Man erhielt auf diese Weise einen kleinen Vorgeschmack von den im weiteren Verlaufe des Krieges einsetzenden und schließlich katastrophal sich verdichtenden Verpflegungsschwierigkeiten.

Man saß nun in der Stadt und ärgerte sich. Man ärgerte sich über die unterbrochene Sommerfrische, über verloren

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/17&oldid=- (Version vom 1.8.2018)