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die dem Studierenden Anschauung gegeben, der Stoff lebendig gemacht, sein „Wirklichkeitshunger“ gestillt würde? Auch darüber später.

2. Der Vorbereitungsdienst bringt heute die praktische Schulung. Wie er im einzelnen, in Ausführung der erwähnten reichsgesetzlichen Vorschriften landesrechtlich geordnet ist, kann beiseite bleiben. Seine allgemeinen Charakteristika sind, dass er durch alle Stationen des Justizdienstes in freiwilliger und streitiger Gerichtsbarkeit, im Zivil- und Strafprozess, beim Amtsgericht und den Landes-Kollegialgerichten, wie der Staatsanwaltschaft hindurchführt, dass er zum Teil Dienst beim Anwalt ist, und dass er, auch wenn die Justizverwaltung das Aufsteigen vom Einfacheren zum Komplizierteren zum Leitmotiv nimmt, im grossen und ganzen von den Personen abhängt, in deren Hände der Referendar kommt, dass von einer methodisch geordneten praktischen Ausbildung eigentlich nicht gesprochen werden kann. Und dieser Vorbereitungsdienst dauert 4 Jahre oder etwas kürzer, füllt also eine für die Entwickelung der Persönlichkeit entscheidende Zeit. Und was ist das Ergebnis? Ein grobes Missverhältnis von Zeitaufwand und Erfolg. Selbst da, wo die Referendare nicht übermässig mit Protokollieren oder anderen unerspriesslichen Geschäften befasst werden, wie insbesondere in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ist jenes Missverhältnis festzustellen. Erheblich fördernd ist die zeitweilige Wahrnehmung richterlicher Geschäfte oder die Vertretung des Anwalts, also ein selbständiges Handeln. Durch die Einrichtung von gemeinschaftlichen Kursen unter Leitung eines Richters wird auf eine methodische Schulung – in freilich unzureichender Weise – in einzelnen Staaten hingearbeitet.

III. Bisherige Verbesserungsvorschläge.

Sie befassen sich teils nur mit dem Universitätsunterricht, teils mit dem Vorbereitungsdienst, teils mit beiden. Ihre Zahl ist Legion. Nur die wichtigsten können erwähnt werden.

Die Verlängerung des Universitätsstudiums auf vier Jahre hat nur äusserlichen Wert, wenn auch anerkannt werden muss, dass der Fülle des Stoffes und der Steigerung der Aufgaben durch die oft übertrieben zahlreichen Praktika das Triennium nicht mehr entspricht. Aber wenn das Examenssemester nicht mitzählt, mögen sieben Semester genügen. Bei angemessener Prüfung ergibt sich solche, tatsächlich schon jetzt geübte Ausdehnung der Studienzeit von selbst.

Die Zwischenprüfung ist, von einem neuerlichen, unten zu besprechenden Vorschlag (Zitelmann, Die Vorbildung der Juristen, Leipzig 1909) abgesehen, gedacht als der Abschluss der propädeutischen Studien, als welche man vorzüglich die historischen ansieht, etwa unter Hinzunahme des deutschen Privatrechts (Bayern). Der Wert ist höchst problematisch. Man will den Fleiss steigern. Aber selbst wenn es gelingen sollte, ist der Preis zu hoch. Die Schulung soll eine einheitliche sein; für sie gibt es keine nur vorbereitenden Disziplinen. Die lehrhaft brauchbare historische Darstellung muss in dem Werdegang des geltenden Rechts, nicht im antiquarischen oder vergleichenden Element gipfeln. Daher ist es fraglich, ob nicht eine historische Vorlesung der dogmatischen mit grösserem Nutzen folgt, als vorausgeht. Keinesfalls darf das Historische mit dem Zwischenexamen abgetan werden. Dazu kommt das ständige, leidige Examinieren. Entscheidend aber ist, falls man nicht das Prüfungswesen zur Reichssache machen will, die politische partikularisierende Wirkung solchen Zwischenexamens. Es zerstört die Freizügigkeit der Studierenden, bindet sie an ihre Landesuniversität. Veränderungen des Inhalts und der Organisation der Prüfungen überhaupt bleiben ausser Frage. Die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Differenzen sollen unter Austausch der Erfahrungen durch Verständigung der Regierungen möglichst ausgeglichen werden.

Die wichtigsten Reformpläne bezielen ein Ineinandergreifen von theoretischem und praktischem Unterricht, von Studium und Vorbereitungsdienst. Sie sind in neuester Zeit besonders laut geworden: ein Rückgriff auf frühere Anregungen (u. a.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/166&oldid=- (Version vom 21.11.2021)