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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Marine: 4 geschützte Kreuzer (1897–98) 3000–4000 t, 2 ungesch. Kreuzer (1886–89) 2100 t, 10 Kanonenboote (1904–07) 560 t, 4 Flusskanonenboote (1908), 11 kleine Kanonenboote 3 Torpedobootszerstörer (850–870 t), 3 Hochsee-Torpedoboote (1906–07), 6 kleinere Torpedoboote. Im Bau: 2 geschützte Kreuzer, 1 Flusskanonenboot.

Ein Flottenprogramm, das 1909 ausgearbeitet wurde, wollte 1200 Millionen Mark verwenden.

Quellen: Heere und Flotten aller Staaten der Erde. Berlin, Zuckschwerdt; Graf Schlieffen, Das maritime China, im „Tag“ 28. November 1909.

Auf derselben Linie wie die gelbe, bewegt sich die panislamische Gefahr. Auf Druck entsteht Gegendruck. Durch die beständigen Angriffe der Weissen gedrängt, suchen sich die Mohammedaner der Erde, ungefähr 270 Millionen an Zahl, zu gemeinsamer Abwehr zusammen zu schliessen. Es gibt zwei Brennpunkte der panislamischen Propaganda; der eine ist in Ägypten, wo sie freimaurerisch gefärbt ist; von Ägypten ist sie nach Konstantinopel und Salonichi ausgestrahlt. Die Führer der anderen allmohammedanischen Gruppe sind die Senussi, deren Oberscheich in Dscharabub und Kufra im Tripolitanischen residiert.

Das theoretische Ziel aller Mohammedaner ist die Unterwerfung der ganzen Welt. Der Koran (9,29) sagt: „Bekämpfet, die nicht glauben an Gott und den jüngsten Tag, und die nicht heiligen, was Gott geheiligt hat und sein Gesandter!“ Dagegen ist der Dschihad, der heilige Krieg, den die Entfaltung der grünen Fahne des Propheten einleitet, eigentlich nur der Abwehr feindlicher Angriffe auf islamisches Land gewidmet. Ein Zusammenhang aller Mohammedaner hat im Grunde immer bestanden; der Panislamismus will lediglich den Zusammenhang noch mehr festigen. Zum ersten Mal entdeckte Spuren der zunächst im westlichen Sudan wahrnehmbaren Bewegung Le Chatelier in seinem Buche Le Panislamisme 1888. Ausführliches bringt dann Frl. von Eckardt in der Deutschen Rundschau 1898, Seite 68 ff. Einen fühlbaren Anstoss gaben dem Panislamismus die türkischen Erfolge in Thessalien, und die Bekehrung Kafiristans durch den Afghanen-Emir zum Islam, beides 1897. Die Meinungen über die-Bewegung sind geteilt. Gar keine Meinung für den Panislamismus hat Martin Hartmann (Westasiatische Studien 1908, Abt. 2, Seite 3–7 und in zahlreichen anderen Aufsätzen). Vgl. noch Ameen Rihani, The Nineteenth Century, Juniheft 1912, und Reay, Der Kampf um das Kalifat, „Das freie Wort“, 2. Aprilheft 1912.

Die Kopfzahl aller Mohammedaner wird von 230 Millionen (Hartmann) bis 300 Millionen angenommen. Der deutsche Kaiser bevorzugte bei seinem berühmten Trinkspruche in Damaskus November 1898 die höchste Zahl. Die einzige zusammenfassende Schrift über die Zahl der Mohammedaner in den verschiedenen Ländern der Erde gibt Hubert Janssen 1894 in einer hektographierten, aber im Buchhandel käuflichen Schrift. Er schätzte die Zahl auf 260 Millionen.

Für die türkische, die marokkanische, die persische und indische Politik kommt das Auftauchen des Panislamismus in Betracht. Ja auch für China, da 20–30 Millionen Mohammedaner im Reich der Mitte wohnen. Wer aber eigentlich den Anstoss zu der ganzen Bewegung gegeben habe, das war bis vor kurzem niemandem bekannt. Die Franzosen beschuldigten gelegentlich Deutschland der Vaterschaft. Warum? Weil in dem westlichen Sudan eine deutsche, von Rohlfs geleitete Expedition mit Empfehlungsbriefen des osmanischen Sultans operierte. Das war Ende der 70er Jahre. Wobei einzuschalten ist, dass die ersten panislamischen Spuren sich sonderbarerweise im Westsudan zeigten. Tatsächlich ist öfters der Vorwurf erhoben worden, dass der ganze Panislamismus eine Erfindung des Westens sei. Ungefähr so, wie das Wiedererwachen des Tschechischen und Lithauischen deutschen Anregern zu danken ist, oder wie der Aufstand der Taiping und der Jungchinesen teilweise auf die Gedanken christlicher Sendlinge zurückgehen. Auch in der mohammedanischen Welt selbst herrscht keine Einstimmigkeit des Urteils. Die einen sagen, Abdul Hamid sei der Urheber, die anderen: die Senussia; dritte behaupten, in Mekka liefen alle Fäden zusammen. Nach neusten Enthüllungen verhält sich die Sache noch anders.

Nämlich folgendermassen: Im Jahre 1839 wurde in Assadabad bei Kabul der Sejid (Nachfahre des Propheten) Dschemmal Eddin al Hussein geboren. Er machte grosse Reisen von Indien bis Europa. In Ägypten schloss er sich den dortigen Freimaurern an, in Konstantinopel wurde er

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 369. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/385&oldid=- (Version vom 23.12.2021)