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ist Raum für eigengesetzliches Recht; seine Absicht ist viel weniger eine rechtschaffende als eine erzieherische u. seine Mittel sind die der warnenden und strafenden Polizei. Der Staat dagegen ist in seinem innersten Wesen demokratisch ...... seine Absicht ist nie eine erzieherische – dies bleibt stets den mit erzieherischen Instinkten u. Tendenzen begabten geistigen Mächten u. gesellschaftl. Gruppen im Staat überlassen.“ – „Das Reich sucht, so sehr es nach Erweiterung u. Weltumspannung strebt, so sehr es auf Eroberung u. Einbeziehung fremden Blutes angewiesen ist, den Kern seiner Macht stets im Nationalen zu verankern, nicht nur weil es einer Phrase bedarf, um das unwissende Volk, das gern die gesunde Heimatliebe mit dem unsinnigen Rassestolz verwechselt, mit sich zu reißen, sondern weil es aus der Tiefe kommend u. ohne objektives Ziel vor Augen stets wieder in die Tiefe seiner Herkunft, des Zufalls u. des Triebes, zurücksinken muß. Der Staat aber, der sich doch im engen Kreis gesicherter, politischer Verkettungen hält, strebt doch nach der Weite übernationaler Gesichtspunkte, nach einer frohen Verschmelzung nationaler Eigenwerte, weil sein Ziel ein über dem Nationalen stehendes, allgemein menschliches ist, Kultur u. Bildung. Das Reich ist vom Reinmenschlichen abgewandt. Es schafft abstrakte Werte u. Güter auf Vorschuß, Geld, Kapital, Mittel des Verkehrs u. des gesteigerten Erwerbs, Dinge, die von der unmittelbaren Beziehung zum Menschen gelöst sind, die im organisch-sinnlosen Wechsel u. Wandel wie Chronos ihre eigenen Kinder verschlingen, deren Ziel die denkbar größte Lust der Herrschenden u. deren Mittel die mehr oder minder offenkundige Ausbeutung, der Beherrschten ist; u. es deckt u. entschuldigt die harte u. häßliche Ungleichheit der Verhältnisse, den fühlbaren Mangel an ausgeglichenem bürgerlichen Behagen mit einem erheuchelten Begriff von Kultur, die im Innerlichen u. Sittlichen wurzeln solle.“ ....

     Alle diese Dinge sieht Hefele mit erschreckender Deutlichkeit. Er spricht davon, wie der Staatsgedanke der mittelalterlichen italienischen Stadtstaaten allmählich dem erwachenden nationalen u. religiösen Aberglauben erlag durch das Gift der Barbareninvasion. „Der Geist erlag der rohen Gewalt. Das asiatische Gespenst des Reiches kroch über das freie Europa ...“ „auf den Trümmern .... wuchert in üppigem Wachstum die fette Pflanze des Reiches, machthungrig, unersättlich, neidisch u. mißgünstig, vergiftend u. alles Leben tötend. Nur ein einziger Splitter der staatl. Ordnung lebt im Chaos der sinnlosen Macht, das heute auf Europa lastet, ein Staatswesen, klein an Umfang aber unermeßlich an Wert, Anklage u. Verheißung zugleich, das kleine freie Land im Herzen Europas u. im Schnittpunkt der drei europäischen Kulturen, .... das kluge, wissende, tätige Volk der Schweizer.“

Donnerstag, 10. Dezember 1942     

     Gestern Besuch von Herrn .... u. seiner Frau, um bei uns Weihnachtseinkäufe zu machen. Aßen bei uns zu Mittag. Er erzählte, der Forstmeister M. in B. habe nicht weniger als acht Pferde auf Sundische Wiese stehen, – zugleich aber bekommen die Fuhrleute hier so wenig Futter

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Hans Brass: TBHB 1942-12-10. , 1942, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1942-12-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2024)