Seite:Heft05-06VereinGeschichteDresden1885.pdf/165

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Verlauf einer Stunde war indessen der Angriff abgeschlagen, das Bombardement dauerte aber fort.[1]

Nachmittags um 2 Uhr wurde der Kreuzturm durch fünf in kurzer Zeit hintereinander eingeworfene Bomben getroffen, von denen schon die dritte so intensiv zündete,[2] daß jedes weitere Löschen von seiten des den Turm bewachenden Stadtmusikus Schnaucke und seiner Leute unmöglich ward, und bald darauf, nachdem eine Bombe um die andere das Kirchengewölbe durchschlagen hatte,[3] dann die Spitze des in vollen Flammen stehenden Turmes auf die Kirche gefallen war und das Gewölbe zerschmettert hatte, auch die Kirche selbst in Brand gesteckt und binnen weniger Stunden in einen Stein- und Trümmerhaufen verwandelt. Das Schreien und Wehklagen darüber war allgemein ... Auch die schönsten Privatgebäude brannten nieder.[4] – Gegen


  1. Maguires Diarium etc. Seite 13.
  2. G. XXXII. 89 Bl. 8b; Maguires Diarium etc. vom 12. bis 30. Juli 1760, S. 14 und Dreßdn. Merkw. des 1760. Jahres, S. 52
  3. G. XXXII. 89.
  4. Anmerkung. Es ist hier der Ort, ausführlicher auf die im Berliner Zeitungsblatt Nr. 91 v. J. 1760 enthaltene Behauptung zurückzukommen, daß von dem Kreuzturme mit Kanonen auf die preußischen Batterien gefeuert und daß hierdurch erst der König von Preußen zu der Entschließung gebracht worden sei, denselben durch Bomben in Brand zu stecken. Zwar ist alsbald nach Bekanntwerden jener Zeitungsnachricht derselben von sächsischer Seite in den gedruckten „Anmerkungen“ über jenes Zeitungsblatt durch die nachfolgende, im Auszug wörtlich mitgeteilte Entgegnung auf das entschiedenste widersprochen worden: „Unter allen Unwahrheiten, so in dieser Relation befindlich, ist diese die unverschämteste, daß von dem Kreuzthurm mit Canonen auf die Preußischen Batterien gefeuert und des Königs in Preußen Majestät dadurch zu der Entschließung gebracht worden, selbigen durch Bomben in Brand zu stecken. Wahrhaftig, diese Erfindung ist zu plump, und verräth, daß man im Preußischen Lager sehr verlegen gewesen sei, eine Beschönigung dieses Verfahrens zu finden; die ganze Stadt weiß ja, daß die 4 Pöller, so auf dem Kreuzthurm befindlich gewesen, und welche dazu gedient, daß man beim Eintritt eines hohen Festes 3 Schuß daraus that, so conditioniret gewesen, daß man von selbigen gar nicht auf ein gewisses Object pointiren konnte. Auch hat Niemand in der ganzen Stadt und in der ganzen umliegenden Gegend von Dresden diese angebliche Abfeuerung der Canonen vom Kreuzthurme weder gesehen, noch gehört;“ allein es muß, um die Richtigkeit dieser, allerdings scharfen Entgegnung unwiderleglich festzustellen, auf Grund der in dem einschlägigen Aktenmateriale des Dresdener Rathsarchives zahlreich vorhandenen Nachrichten zunächst constatiert werden, wie der Magistrat nicht nur, sondern auch die Kirchenbeamten – Superintendent, Kirchner und Turmwächter – gewissermaßen in Vorahnung des bevorstehenden Schrecklichen, mit größter Sorgfalt und wahrer Angst stets darauf bedacht gewesen sind, Alles zu vermeiden, was die Aufmerksamkeit des Feindes auf den Turm hätte lenken können: denn nicht allein waren von der Zeit an, als die Reichstruppen im September 1759 die Stadt besetzt hatten die Böller oder „metallenen Stücken“, um sie den Augen der österreichischen, den Turm besuchenden Offiziere zu verbergen, in das Turminnere, in die Stückkammer unter dem kleinen Seitenturme, welcher nach der Pfarrgasse zu stand [B. II. 103s], völlig zurückgezogen und verborgen gehalten worden, sondern es wurde während der Belagerung auch mit dem Läuten der Glocken, ja sogar mit dem Seigerschlagen innegehalten, und zwar beides, Läuten der Glocken und Seigerschlag, mit ausdrücklicher Genehmigung des Kommandanten, der diese Vorsicht mithin billigte. Wie und von wem soll nun bei so bewandten Dingen mit den in Sicherheit gebrachten 4 „Feldschlangen“, welche auf Schiffslaffetten standen und also in die Tiefe gar nicht gerichtet werden konnten, auf die preußischen Batterien vom Kreuzturme aus gefeuert worden sein? Hierzu kommt aber vor Allem noch das klassische Zeugniß derjenigen drei Personen, welche damals „beständig“ auf dem Kreuzturme gewohnt und so lange, „bis es keine Möglichkeit mehr zum Löschen war und sie ihre Zuflucht herunter in die Kirche nehmen mußten,“ auf dem Turme ausgehalten haben, die mithin die beste und zuverlässigste Wissenschaft von den bezüglichen Vorgängen haben mußten: des Stadtmusikus G. H. Schnaucke, dessen Instrumentisten J. G. Zeyßig und des Lehrburschen J. H. Zöllner. Diese bestätigen nämlich in einem vom 26. Aug. 1760 datierten, zu den Akten gegebenen „Bericht über Abbrennung des Kreuzthurmes“ [G. XXXII. 89 Bl. 8 flg.] auch ihrerseits nicht nur die sämtlichen vorerwähnten, die „Stücke“ oder „Feldschlangen“ im Allgemeinen und deren Verborgenhalten im Besonderen betreffenden Nachrichten, sondern sie bezeugen auch vor Allem, daß nicht ein einziger Schuß aus den auf dem Kreuzturm gewesenen 4 Feldschlangen weder geschehen sei, noch (aus dem schon oben erwähnten Grunde) überhaupt habe geschehen können. – Jener von preußischer Seite gemachte Versuch der Rechtfertigung des Bombardements der Kreuzkirche, dem dann auch von Archenholtz in seiner Geschichte des Siebenjährigen Krieges gefolgt ist, muß daher als vollständig mißlungen gelten: er beruht einfach auf Erfindung. Übrigens ist ja auch die Frauenkirche und deren Turm bei der nämlichen Belagerung mit Hunderten von Kugeln und Bomben beschossen und beworfen und doch ist von preußischer Seite niemals behauptet worden, daß auch von diesem Turme auf die Belagerer gefeuert worden und deshalb seine Bombardierung erfolgt sei. Wenn aber die Frauenkirche und ihren Turm nicht ein gleiches Schicksal, wie die Kreuzkirche und den Kreuzturm betroffen hat, so liegt dies keineswegs – sit venia verbo! – am guten Willen der Belagerer und an der Ungeschicklichkeit der preußischen Artillerie, sondern lediglich an der Festigkeit und bewundernswerten Bauart der Frauenkirche und deren Kuppel insbesondere, welche alle aus den Belagerungsgeschützen gegen sie geschleuderten Geschosse machtlos abprallen ließ. Bei Erwähnung dieser Vorgänge hämische Bemerkungen gegen König Friedrich II. als „den Beschützer der protestantischen Religion“ zu machen, ist ein wohlfeiles Vergnügen mancher Geschichts- oder Chronikenschreiber gewesen; der Unbefangene aber wird kaum im Zweifel sein, daß jener nur aus militärischen Rücksichten, die im Kriege bei allen Völkern und zu allen Zeiten die allein maßgebenden gewesen sind und sein werden, die Einäscherung des Kreuzturms bewirkt und nur aus den gleichen Rücksichten die Zerstörung der Kuppel der Frauenkirche beabsichtigt gehabt hat: aus den gleichen Rücksichten also, welche die Österreicher, „die Freunde und Beschützer Sachsens,“ bestimmt hatten, die Dresdener Vorstädte rücksichtslos niederzubrennen. Beide Türme boten nämlich für die Belagerten sehr bequeme Observationspunkte des preußischen Lagers und der in ziemlicher Nähe des Festungswalles errichteten Belagerungsbatterien (vergl. auch Schaefer, Geschichte des siebenjährigen Krieges, II. Bd. Seite 35 und Hasche, diplom. Geschichte Dresdens, IV. Bd. Seite 284 Anm.), die dagegen wieder den Preußen um so unbequemer und nachteiliger sein mußten; auch mochte der König von Preußen bestimmt hoffen, durch schnelle Häufung großer Schrecken über die Stadt auf deren Bevölkerung, welche bei noch längerer Dauer des Bombardements ihren völligen Ruin vor Augen sehen mußte, sowie auf den die Stadt bisher so tapfer verteidigenden Kommandanten selbst zu wirken, ihn zur Übergabe Dresdens zu bewegen, – oder aber Daun dahin zu bringen, zu Verhinderung des sonst unvermeidlich scheinenden Untergangs der Stadt sich zu schlagen. Jenen ersteren Zweck würde der König wohl auch erreicht haben, wenn nicht Daun, als Oberkommandierender, dem Grafen Maquire auf dessen bald nach dem Einsturze der Kreuzkirche erstattete, weiter oben erwähnte Meldung oder richtiger Anfrage den bestimmtesten Befehl übermittelt hätte, die Stadt bis aufs äußerste auch ferner zu verteidigen.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Heinze: Dresden im siebenjährigen Kriege. i. A. des Dresdner Geschichtsvereins bei Carl Tittmann, Dresden 1885, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft05-06VereinGeschichteDresden1885.pdf/165&oldid=- (Version vom 10.9.2023)