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der einem andern Handwerk zukam, selbst dann, wenn er ihn mit den ihm gestatteten Werkzeugen hätte herstellen können. Das war um so nachteiliger, als sich Handwerke in Zünften von einander getrennt hatten, deren Arbeiten einander außerordentlich verwandt waren und sich aus dem allgemeinen Charakter der Artikel gar nicht sicher auseinander halten ließen. Das tritt am meisten hervor bei den verschiedenen Eisenarbeitern, die sich in Huf- und Waffenschmiede, Schlosser, Sporer, Nagelschmiede u. a. schieden, bei den Lederarbeitern, hier ganz besonders bei den Sattlern und Riemern, von denen sich die ersteren gezwungen sahen, eine große Anzahl Artikel, die ihnen zukamen, namentlich in ihren Ordnungen aufzuzählen – die Riemer behaupten freilich, daß darein die ganze Riemerarbeit gemengt sei –, bei den Tischlern und Zimmerleuten, den Steinmetzen, Maurern und Malern. Spaltete sich doch sogar das Handwerk der Weißgerber in zwei Gruppen, in Rheinische und Rößler, die sich nur in der Technik und den Instrumenten unterschieden. Es liegt auf der Hand, daß zwischen solchen einander nahestehenden Innungen fortwährend Streitigkeiten und Prozesse herrschen, aber die Ausbildung und Vervollkommnung der Handwerke leiden mußten.

Die zweite verhängnisvolle Richtung, die das Zunftwesen einschlug, liegt in der Verknöcherung der althergebrachten[WS 1] Gebräuche, denen der frische Geist, der einst in den Zünften waltete, entschwunden war, in dem Überwuchern der äußeren Formen. Hier liegt ein Entwickelungsgang vor, den die Zünfte nicht allein gingen, an dem vielmehr auch Reichs- und Landesregierung, wie städtische Verwaltung und Gerichtswesen krankten. Das steht offenbar, wenn auch andere Gründe noch dabei wirkten, mit der politischen Ohnmacht und Zersplitterung Deutschlands, der gegenseitigen Eifersucht, die unter den Ständen und Stämmen herrschte, in Zusammenhang. Diese Betonung der leeren, gleichgültigen Formen, denen man die höchste Wichtigkeit beimaß, die Strenge, mit der man die Einhaltung der hergebrachten Gewohnheit auch in den unwesentlichsten Dingen, sogar Grußformeln und Redewendungen, forderte, Gleichheit auch in vollständig wertlosen Dingen verlangte, erhielt besonderen Nachdruck durch die Entwickelung der Gesellenbrüderschaften, in denen sich die Gesellen, der vierte Stand, durch Korpsgeist und Disziplin in Verbindung mit der ausgedehnten Wanderschaft eine einflußreiche

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: althergebachten