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Dieser Auftrag mußte dem Maler um so willkommener sein, als er in dem Auftraggeber einen für die Kunst begeisterten, feinsinnigen Mann vor sich hatte. Schletter war ein kenntnisreicher Sammler. Auf großen Reisen, namentlich aber in Paris, hatte er Kunstschätze der verschiedensten Art kennen gelernt und erworben. Er sammelte Erzeugnisse des Kunstgewerbes, vor allem aber Gemälde. Seine Galerie, die 1853 durch Vermächtnis teilweise in das Leipziger Museum gelangte, enthielt meist Arbeiten von Franzosen des (18. und) 19. Jahrhunderts, darunter auch mehrere Bilder von Horace Vernet, wie den „Sklavenmarkt“, einen „Araber mit seinem Pferde“ und eine „Büßende Magdalena“. Deutsche Maler waren in der Sammlung nur spärlich vertreten, und die vertreten waren, gehörten fast durchgängig der Düsseldorfer Schule an. Um so ehrenvoller war es für Rayski, daß gerade er mit der Ausführung des Porträts betraut wurde. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Schletter, der die Hauptstücke seiner Galerie 1842 zur Tiedge-Ausstellung nach Dresden gesandt hatte, bei Gelegenheit dieser Ausstellung durch das Bildnis des Freiherrn von Gablenz auf Rayskis Talent aufmerksam geworden ist, wenn dies nicht vielleicht schon früher – etwa in Paris – geschehen war.

Der Auftrag des Leipziger Mäcens bot dem Meister Veranlassung, das dritte Hauptwerk seines Lebens zu schaffen. Denn als solches müssen wir das Bildnis H. A. Schletters[1] unbedingt bezeichnen.

Auf ihm erblicken wir den eleganten Herrn in ganzer Figur, lebensgroß, nach links, vor einer Zimmerwand stehend. Rock, helle Weste, hohe Halsbinde und eng anliegende Beinkleider bilden das kostümliche Beiwerk. Die Hände hält der Dargestellte vor dem Leibe übereinandergeschlagen, den linken Fuß hat er etwas vorgesetzt, das Antlitz wendet er dem Beschauer zu. Die Gestalt ist von links vorn beleuchtet, sodaß besonders das Gesicht, die Hände und die Weste sich klar von dem dunklen Hintergrunde abheben. Das knochige, von schmalen Backenbärtchen umrahmte Antlitz ist sehr lebendig gemalt. Im Hintergrund an der Zimmerwand hängt ein Ölgemälde. Rechts schließt ein Vorhang, links eine Säule (im Schatten) ab, an deren Fuß der Künstler seine Signatur angebracht hat.

Auch dieses Bild ist von einem ausgesuchten Geschmack in der Farbengebung. Wiederum wiegen die dunklen Nuancen vor. Der


  1. Im Museum zu Leipzig (Nr. 538); hoch 1,98 m, breit 1,32 m.
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Ernst Sigismund: Ferdinand von Rayski. i. A. des Dresdner Geschichtsvereins, Dresden 1907, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft20VereinGeschichteDresden1907.djvu/61&oldid=- (Version vom 17.2.2024)