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Bildnis allerdings lebhaft an die anmutigen Frauengestalten des Engländers, die Rayski etwa durch die damals beliebten Kupferstiche von Bartolozzi u. a. kennen gelernt haben könnte.

Aber der Vergleich des deutschen Malers mit dem englischen scheint mir doch nur hinsichtlich der Feinheit der Zeichnung angebracht zu sein; in der Farbengebung hat der Deutsche den Engländer übertroffen, dessen Kolorit allzu dünn und glatt ist. Noch weniger können die Nachfolger Lawrences im Fache des Porträts, ein Shee, ein Ward u. a. hier in Betracht kommen.

Sollte ein Engländer Rayskis Vorbild gewesen sein, so könnte ich eigentlich nur auf Francis Grant verweisen, jenen vorzüglichen Meister, der sich gerade damals zum beliebtesten Porträtisten der eleganten Welt Englands emporgeschwungen hatte. Mit ihm hat Rayski ebenso in der Darstellung seiner Figuren. – es wird später noch einmal darauf hinzudeuten sein – wie in dem vornehmen Geschmack der Ausführung tatsächlich viel Ähnlichkeit. Auf welche Weise freilich der Deutsche die genauere Kenntnis der Grantschen Gemälde gewonnen haben sollte, bleibt unerfindlich, da solche Gemälde auf dem Kontinente fast gar nicht anzutreffen sind.

Daher möchte ich lieber an ein französisches Vorbild denken als an ein englisches. Und ich glaube, es kommt da am ersten Paul Delaroche in Frage. Seine Porträts zeigen jene Feinheit der Pinselführung¹), die den Historienbildern desselben Künstlers bei ihren düsteren Vorwürfen gewöhnlich fehlt. Bildnisse von dem Modemaler Delaroche zu studieren, dazu hatte Rayski während seiner großen Reise genügende Gelegenheit. Aus ihnen konnte er auch die Wahrheit der psychologischen Charakteristik[1] erlernen, die gerade seine drei Hauptwerke so vorteilhaft auszeichnet.

Mit dem Einflusse, den Delaroche auf den jungen Künstler ausübte, verband sich der des Münchners Joseph Stieler, auf den schon oben aufmerksam gemacht wurde. Noch möchte ich kurz darauf hinweisen, daß seit Herbst 1838 der Fürsten- und Künstlermaler Adolf Ehrhardt in Dresden wirkte und daß Rayski spätestens jetzt die Bekanntschaft des Leutnants Ernst von Craushaar


  1. Will man sich von der Wahrheit dieser Behauptungen überzeugen, so braucht man nur z. B. das 1830 von Delaroche gemalte Bildnis der Henriette Sonntag in der Dresdner Gemäldegalerie genauer zu betrachten.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Sigismund: Ferdinand von Rayski. i. A. des Dresdner Geschichtsvereins, Dresden 1907, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft20VereinGeschichteDresden1907.djvu/63&oldid=- (Version vom 17.2.2024)