Seite:Heft26VereinGeschichteDresden1918.pdf/76

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Wahrheit zu sagen, so ist hier unter allen gebildeten Musikern und Kunstverständigen nur eine Klage darüber, daß sich den meist oberflächlichen parteiischen Aufsätzen in fremden Zeitschriften, die – wunderbar genug – nur lange Lobhudeleien der italienischen Oper enthalten, während selbst die besten deutschen Aufführungen mit Stillschweigen übergangen oder ganz kurz und mit Geringschätzung abgefertigt werden, kein einziger Mann entgegenstellt, der in der literarisch-musikalischen Welt einen ehrenvollen Platz behauptet. Unter letzteren bedauere ich vorzüglich Herrn B. v. Miltitz, den gewiß nur Kränklichkeit und daraus entspringende längere Abwesenheit von Dresden abhält, seinen Beruf als Rezensent zu erfüllen. Seit ich durch längeren Aufenthalt in Dresden mit dem dortigen Musiktreiben vertraut geworden bin, lege ich die meisten Zeitschriften, welche Korrespondenznachrichten über Dresdens Theater enthalten, mit Widerwillen, ja mit Ingrimm über die Parteilichkeit ihrer Verfasser zurück. Von den letzteren Unberufenen kenne ich besonders eine Harfenspielerin, welcher schon von Weber, wie ich aus seinem Munde weiß, einmal das Handwerk gelegt wurde, ferner einen gewissen Herrn Ex-Professor und einen Ex-Musikdirektor, der früher bei de Bach[1] fungierte. Mundus vult decipi! Auch ist es eben von seiten der Kunst nicht so sehr zu bedauern, daß diese Leute schreiben, denn der Erfolg lehrt es, daß sich das Publikum in Dresden darum nicht kümmert, denn die deutsche Oper ist stets zum Erdrücken voll, die italienische, trotz der unendlichen Lobhudeleien und des forcierten Applauses, von dem ich auch Zeuge war, leer.“

Der erwähnte C. B. v. Miltitz, Geh. Rat und Oberhofmeister, ist der durch seinen Verkehr mit den Romantikern bekannte Dichter und Komponist, zugleich Mitarbeiter der A. M. Z. Er schreibt einmal, daß er sich „glücklicherweise um die Gunst keiner Partei zu bewerben brauche“ (A. M. Z. 1840, S. 89), ferner daß „der echte Kenner zu keiner Partei, weder Klassiker noch Romantiker schwört, sondern sich von jeder Erscheinung im Gebiete der Kunst wissenschaftlich Rechenschaft gibt“. Dies, sowie folgende Tatsachen möchten wir seiner Biographie (Schmidt, „Fouqué, Apel und Miltitz“, Leipzig 1908) noch hinzufügen, nämlich, daß er in seinen Kritiken schon energisch für eine Verdeutschung der Fremdwörter eintritt und auch beim sächsischen Hofe für das Deutschtum wirkte. Er bemängelte z. B. 1834, daß die Programme der Hofkonzerte italienisch gedruckt würden. Schumann forderte ihn 1834 auf zur Mitarbeit an der N. Z. f. M., was er mit der Begründung, nur der A. M. Z., der er schon so lange gedient hätte, nicht untreu werden zu wollen, ablehnte[2].

Daẞ Reissiger bestrebt war und es sein mußte, die Leistungen des königlichen Instituts auf die höchste mögliche Höhe zu bringen, so daß Dresden schließlich im Laufe der dreißiger Jahre die führende Oper besaß, hat auch seinen Grund in dem gerade damals hochgehenden geistigen Leben der Stadt selbst. Eine seltene Vereinigung von großen Künstlern und Gelehrten, die ja dann auch noch während Wagners Dresdner Zeit (vierziger Jahre) weiter bestand, bildete sich jetzt. Um einige glänzende Namen zu


  1. de Bach war Zirkusunternehmer.
  2. Unveröffentlichter Brief im Schumann-Nachlaß der Kgl. Bibliothek Berlin.