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meinte dagegen, Beust habe wohl nur sich bereit zeigen wollen, den Kelch der Bitterkeit nicht an sich vorübergehen zu lassen, sondern bis auf die Neige zu leeren!!! Er bewahrt und bewährt eine klettenartige Anhänglichkeit[1]. Sehr naiv war dazu die Äußerung, es erscheine die Erklärung des alten v. Treitschke als ein Gegengewicht gegen Burgsdorffs Abgehung. Mit solchen Gesinnungen freilich rennen wir mit dem Brett vor dem Kopf fort, bis die Ochsen endlich gründlich am Berge stehen werden. Und Burgsdorffs Verhalten gerade gegen die hiesigen Stadtbehörden scheint gänzlich verwischt zu sein![2]

Wahlversammlung, in welcher ich erfolglos gegen die Anonymität der Wahlvorschläge spreche[3]. Man scheut sich nach wie vor, mit seinem Namen für seine Gesinnung einzutreten.


Sonntag, 26. August.

Das Hofgesinde kehrt langsam zurück, was andeutet, daß die Herrschaften nächstens nachfolgen werden. Dennoch weiß man Näheres nicht.

v. Gersdorf soll um seine Entlassung gebeten haben, nachdem er wiederholt und dringend dem Könige die Entlassung Beusts anempfohlen hatte.


Montag, 27. August.

Große Sensation über die Verschanzungen des rechten Elbufers. Die Abholzung kann das bißchen Wasser, das Neustadt noch hat, vollends verschwinden machen. Das wird den Leuten, auch den geduldigsten, doch nachgerade zu bunt, und in Leipzig ist das Verlangen nach Annexion bereits ausgesprochen worden[4]. Die Prätension, Preußen noch Vorschriften machen zu wollen, ist geradezu lächerlich[5], das Gebaren unseres Hofes im höchsten Grade rücksichtslos gegen das Land. Sollte es unter diesen Umständen nicht noch zu einem öffentlichen Eklat kommen?


  1. In den Augen Peschels ist Pfotenhauer noch zu sehr „gut Beustsch“ gesinnt.
  2. Wiederholt bringt Peschel seine starke Abneigung gegen die 1853 eingesetzte königliche Polizeidirektion und ihr Verhalten zur Stadtbehörde zum Ausdruck.
  3. Landtagswahlversammlungen.
  4. Bericht aus Leipzig vom 27. August über die „erste sächsische Landesversammlung“ der in der Entstehung begriffenen nationalliberalen Partei unter Vorsitz von Prof. K. Biedermann. In der Versammlung, die zum überwiegenden Teile aus Leipzigern bestand, wurden heftige Angriffe gegen Beust und das sächsische Regierungssystem erhoben. Biedermann betonte, vor allem müsse Sachsen auf die gesamte auswärtige Politik verzichten zugunsten des neuen Reichsoberhauptes. Das Ergebnis der Versammlung war erstens der Beschluß zur Bildung einer sächsischen nationalliberalen Partei durch ein Zentralkomitee für die bevorstehenden deutschen Parlamentswahlen und zweitens die namentlich infolge des energischen Eintretens von Dr. Schildbach, Advokat Rud. Schmidt und Dr. Joseph nur gegen wenig Stimmen angenommene Entschließung: „Wir halten die deutschen und sächsischen Interessen am besten gewahrt durch die Einverleibung Sachsens in Preußen, oder, falls dies nicht möglich, wenigstens durch völlige Abtretung der Militärhoheit und Diplomatie an die Krone Preußen, sowie durch Übergabe der auf die allgemeinen Verkehrsinteressen bezüglichen Gesetzgebung und Verwaltung an die betreffenden Bundesorgane.“ Ein Festmahl folgte mit „eigentümlichen Toasten“ (Leipziger Zeitung) und der Aufgabe eines Glückwunschtelegramms an Prof. H. v. Treitschke in Berlin (Journal, 29. August).
    Natürlich blieben Proteste gegen diese Leipziger Versammlung nicht aus. In einem solchen vom 7. September wies man darauf hin, daß die Beschlüsse nur persönliche Meinungsäußerungen eines gewissen Kreises seien und im grellsten Widerspruch zur Gesinnung des sächsischen Volkes ständen, das sein Selbstbestimmungsrecht verlange. Es wolle nicht, daß Sachsen eine preußische Provinz werde. Der Protest war von 16 Männern unterzeichnet, z. B. von August Bebel und von Baer, den Vorstehern des Leipziger Arbeiterbildungsvereins (1865), von Professor der Geschichte Wuttke, einem bekannten Preußenhasser, von Professor Roßmäßler (als a. o. Professor an der Tharandter Forstakademie 1849 wegen Teilnahme am Stuttgarter Rumpfparlament seines Amtes entsetzt), ferner von Buchhändler Roßberg und anderen (Journal, 14. September). Eine für den 4. September anberaumte Volksversammlung war vom preußischen Generalgouverneur verboten worden.
  5. Die Dresdner Konstitutionelle Zeitung vertrat ein paar Tage später (31. August) in dem Artikel „Preußen und Sachsen“ dieselbe Meinung: „Wir sind augenscheinlich nicht in der Lage, dem Sieger irgendwelche Vorschriften zu machen.“ Denn der Trotz und Widerstand der sächsischen Regierung stütze sich auf nichts, da Frankreich um Sachsens willen auf keinen Fall einen Krieg anfangen werde (vgl. Peschel, 17. August!). Übrigens könne kein Patriot eine Schmälerung Deutschlands durch Frankreich – und das sei natürlich bei einem erfolgreichen französischen Eingreifen zu erwarten – wünschen, nur um Sachsen zu retten!
Empfohlene Zitierweise:
Erwin Heyne (Hrsg.): Kriegstage in Dresden 1866 und 1870. i. A. des Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1933, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/55&oldid=- (Version vom 27.5.2024)