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Es drängt mich schon seit lange, Ihnen wieder einmal zu schreiben. Diese schwarzen Striche und Linien – was sind sie gegen einen einzigen Blick eines Auges ohne Worte: – ja, gedenke ich der Freude, wenn Sie so plözlich zu uns hereintraten – diese klaren, freundlichen, himmlisch erklärenden sanften blauen Augen – wenn ich jezt nur in Einem Monath, ohne Sprache, den Trost dieser Blicke empfinden könnte! Nein, Sie wissen es nicht, was Sie mir waren, wie sehr ich Sie geliebt habe, wie innig, wie unentbehrlich Sie zu meinem Wesen gehörten – darum auch jener tiefe, unbeschreibliche Schmerz, als wir uns einmal gänzlich mißverstanden.

Ich wußte es wohl, daß Sie nicht kommen würden. Zu wem könnte ich sprechen, wie zu Ihnen? Das Geheimniß der Freundschaft und Liebe ist ein ewig unergründliches. Was könnten kluge, wahrhaft gebildete Menschen im Umgange, in der Gesellschaft sich gegenseitig sein, wie sich in einander hineinleben, und aus jedem wieder ein höhres Leben für sich gewinnen. Das müßte schon ein Himmelreich auf Erden sein! – statt dessen!! – – Wie mit Ihnen habe ich mit keinem Menschen sonst sprechen können, wie wurde Alles in mir klarer, fester! Auch Sie verstanden mich wohl, wie nicht leicht ein andrer Mensch. Kurz, wir hätten (so schien es bestimmt) immer für und mit einander leben sollen, – und nun – sind wir uns beiden gestorben.

Agnes war wieder 14 Tage bei mir. Bülow auch. Ich kann den Menschen wenig sein. Ich habe nur Ein Gefühl, und das verschließe ich in mir. – Darum bin ich nicht mittheilend, ihr Gespräch erregt mir kein Interesse – und vollends die verfluchte Politik! Daß ich im Alter dies Alles noch erleben mußte!

Was schwatze ich Ihnen da alles, und immer von mir! Aber kann man denn Eigentlich was anders sprechen als aus sich, von sich? – Jedes Urtheil über ein Buch, einen Menschen, ein Einfall, selbst Spaß, ist ja auch nur die Mittheilung eines Erlebten, sonst ist es ja nur todt, leere Phrase.

Sie sollen wieder krank sein, und auch bedenklich [1] – unser beider Bewußtsein ist uns doch hauptsächlich in Krankheiten gekommen. Giebt es eine geistige Entwicklung, ein Reifwerden der Seele, so muß ich meinen Krankheiten und vielfachen Schmerzen sehr dankbar sein, sie sind dann ein Gefühl der Liebe und mit dieser meine besten Erzieher gewesen.

Noch nie ist mir das äußere Leben, die Begebenheiten in der Welt, alle Zustände so uninteressant gewesen, wie in dieser Zeit. Ich kann es nicht aussprechen, wie abgeschmackt mir alles vorkommt. Ich mag gar nicht hinhören, wenn davon die Rede ist. Höchstens, und das nur selten, bin ich zornig.

Jezt können die Philister ihr höchstes Bundesfest feiern; denn eine solche Engherzigkeit, nüchterne Altklugheit und Allwissenheit ist wohl noch niemals dagewesen.


  1. Frau von Lüttichau wurde im Sommer 1848 von einem heftigen typhösen Fieber befallen, kam aber schließlich glücklich durch. Vgl. Carus, ebenda III 261 f.