Seite:Heine Gedichte 1822 044.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Sehnsucht.


Jedweder Geselle, sein Mädel am Arm,
Durchwandelt die Lindenreih’n;
Ich aber ich wandle, daß Gott erbarm,
Ganz mutterseel allein.

5
Mein Herz wird beengt, mein Auge wird trüb,

Wenn ein Andrer mit Liebchen sich freut.
Denn ich habe auch ein süßes Lieb,
Doch wohnt sie gar ferne und weit.

So manches Jahr getragen ich hab’,

10
Ich trage nicht länger die Pein,

Ich schnüre mein Bündlein, und greife den Stab,
Und wandr’ in die Welt hinein.

Und wandre fort manch hundert Stund’,
Bis ich komm’ an die große Stadt;

15
Sie prangt an eines Stromes Mund,

Drey kekliche Thürme sie hat.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Gedichte. Maurersche Buchhandlung, Berlin 1822, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heine_Gedichte_1822_044.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)