Seite:Heinrich Brandt - Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche.pdf/221

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Natur sei, die ihr in der Gerechtigkeit gleichsam eingegossen werde, dadurch er vor Gottes Gericht so rein und unsträflich erscheine, wie die heiligen Engel unsträflich und gerecht sind. Denn:

 α) ist die Gerechtigkeit eine Zurechnung und allein eine Vergebung der Sünden, so ist sie nicht eine Reinigkeit und Heiligkeit der Natur u. s. w., weil, wie ein Missethäter vor Gericht losgesprochen, gerechtfertigt wird, und doch auf ihm bleibt, daß er das Böse gethan habe, wiewohl es ihm vergeben ist: also, wer vor göttlichem Gericht losgesprochen wird, der ist damit gerechtfertigt, und bleibet doch auf ihm, daß er die Missethat begangen, wiewohl sie ihm zur Strafe nicht zugerechnet wird;

 β) wird die Sünde nicht so rein aus der Natur gebracht, daß nicht bei allen Heiligen die Klagen blieben, welche St. Paulus geführt hat Römer 7, 18. 19.: „Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute, finde ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das thue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das thue ich.“ V. 23. „Ich sehe ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetze in meinem Gemüthe, und nimmt mich gefangen unter der Sünde Gesetz.“ Gal. 5, 17. „Das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch, dieselben sind wider einander, daß ihr nicht thut, was ihr wollt.“ Wäre aber die Gerechtigkeit der Menschen eine solche Reinigkeit der Natur, wie in den heil. Engeln, so müßte die so eben angeführte Klage aufhören, und der wiedergeborne Mensch wäre mit Sünden durchaus nicht