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Von einer überirdischen, enormen Energie gepackt, warf sie den Hebel herum. Ein jäher Ruck, und der Zug hielt. Ein Weinkrampf befiel sie.

Ihr Geschrei wies sofort dem herbeistürzenden Zugführer und den zwei Schaffnern, wo der Bremser war. Sie rissen das Frauenabteil auf. „Ich habe die Notbremse gezogen! Der schwarze Mann, das tote Pferd! Helfen Sie mir!“ schrie ihnen die Diva entgegen. Das Gepolter im Waschraum erweckte die schreckliche Vorstellung eines einstürzenden Wolkenkratzers. Der Zugführer zog mit der vorgehaltenen Pistole den Riegel von der Tür, auf alles gefaßt.

Julie Briendöpke vergrub ihren Kopf in den Polstern. Wie Peitschenhiebe drang plötzlich gellendes Gekeife auf sie ein. Eine weibliche Stimme war’s. Die Diva schaute erschreckt auf. Eine elegante Dame, grün vor Wut, sprang auf sie los, packte sie ins Haar mit krallenden Fingern, daß die Nadeln und Kämme flogen. „Beschweren werde ich mich!“ schrie sie wie eine Dampfpfeife und zerkratzte der Diva das Gesicht. In dieser erwachte ein entsetzlicher Haß. Um dieses Weibes willen zog sie die Notbremse? Mit der Wut eines Kannibalen warf sie sich auf ihre Feindin, riß ihr die Ärmel aus der Bluse und schlug ihr die Frisur herunter. „Und wegen so was zog ich die Notbremse, ich Blöde, mit tollkühnem Griff, der Furchtbares zur Folge hat!“

Die Eisenbahnbeamten versuchten die Streitenden zu trennen. In der Tür des Waschraumes erschien der schwarze Mann mit der Brille, der von dem Zugführer respektvoll gegrüßt wurde, es war ein Apotheker aus der

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Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/159&oldid=- (Version vom 1.8.2018)