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wußte der Herr aus der Kenntnis der Schrift und des Herzens, so las er im Buchstaben und so im Herzen. Wie oft hat er gewollt, und jener entzog sich!

 Die Schrift hat ihr Recht behalten; Jesus hat siebenzig mal siebenmal die Seele gesucht, um ihr vom falschen Weg zurecht zu helfen. Wo aber die Seele dem Lichte, und der Jünger sich der Liebe entzieht, da ist beides ohnmächtig.

 O wie groß ist dein Vermögen, kannst des Priesteramts pflegen, das nur um Eines bittet – um Bewahrung der Seele durch Gott und um ihre Bewährung vor Gott.


Nun aber komme ich zu dir und rede solches, auf daß sie in der Welt haben meine Freude in ihnen vollkommen.

 „Darum will er ihnen hiermit einen andern gewissen Ort zeigen, da er sie viel besser verwahren und erhalten wolle, nämlich bei dem Vater, da er selbst hinfährt, auf daß er alle Dinge in seine Gewalt nehme und allenthalben bei ihnen sein könnte, ob er wohl äußerlich und leiblich von ihnen geht.“ So Luther.

 Herzandringend, wie einer Gottes Ja erstürmt und seine Liebe, mit Gewalt erzwingt, hebt der Herr noch einmal an. Jetzt, in wenigen Stunden, nachdem die Schrecken des Todes überwunden und die Pforten der Hölle entriegelt sind, jetzt, wo ihn die Jünger am nötigsten brauchen, damit der angefachte Eifer nicht erkalte und das begonnene Werk nicht hinfalle, ist es hohe Not, daß Jesus das Anliegen seiner Seele für die Seinen immer und immer wieder vorbringe, auf das Eine immer wieder zurückgreife. Die Jünger sollen es hören und wissen, sich noch oft, ja immer daran erinnern und einander ins Gedächtnis zurückrufen, wenn sie kleingläubig werden wollen, daß in der Nacht des Verrates ein Gebet für sie angehoben hat, das weiter dringt, durch alle Zeiten geht, über alle Lande reicht, in allem Leid besteht ein Gebet innigster und doch kürzester Zwiesprache Jesu mit seinem Vater, dessen Inhalt und Ziel die Jüngerseele und ihr Los ist.

 Wenn in den Herzen der betrübten Jünger, über die der Osterfriede jubelnd hinzog, in deren Herzen und Häusern einfachste Gaben geheiligt wurden, da der Verklärte das Abendbrot brach, die Erinnerung an Jesu Gebet als Erlebnis dieser Großtat erwacht, da sollen sie tief im Innern eine Freude empfinden, welche von der Welt so wenig gestört werden kann, daß sie geradezu an ihr erwächst.

 Daß Gottes Wille und des Sohnes Gebet sich auf einen Menschen und auf die eine Frage verbünden und finden, wie ihm zu helfen sei, das muß Freude erwecken, der gegenüber der Jubelton des achten Psalms von dem Menschenkind, dessen Gott gedenkt, verstummen muß, aber auch schweigen darf.

 Christentum ist Freude in Gott, mit ihm und auf ihn, Freude über die Erlösung, über deren Gebrauch und rechten Nutzen und auf die abschließende Gottestat der Verklärung.